Die Stellmacher

Stellmacher und Stellmacherin

Die Stellmacher stellen hauptsächlich Wagen und Wagenräder her.

alte sw-Vignette Stellmacher beim Schnitzen

„[…] Über Jahrhunderte war die Anfertigung hölzener Räder für alle nur denkbaren Fahrzeuge die wichtigste und zugleich charakteristische Tätigkeit dieses Handwerks. In der Landwirtschaft bestand ein großer Bedarf ab robusten Ackerwagen. Schieb- und Pferdekarren. Die Stellmacher fertigten neue Räder und reparierten alte so lange, bis sich auch diese Arbeit nicht mehr lohnte. Aus dem widerstandsfähigen Eichenholz stellten sie die Untergestelle für Ackerwagen und Karren her. Diese Gestellen bestanden aus Achsfutter, in das die Eisenachse eingebunden wurde. Schemel, Rungen, Langbaum, Deichsel und Kastengestell bei Karren. Der Kasten selbst und auch die langen Ernteleitern für die Wagen fertigte man meist aus leichterem Nadelholz und auch Pappel.

Einsatzfähig wurden solche Fahrzeuge erst durch die Arbeit des Schmiedes, der die Achsen richtete, sie einband, Reifen auf die Räder warm aufzog und sämtliche Beschläge anbrachte. Dies hatte zur Folge, daß Stellmacher im Gegensatz zu vielen anderen Holzhandwerkern keine verkaufsfertigen Fertigprodukte anbieten konnten und immer auf einen weiteren Handwerker angewiesen waren – was sich letztlich auch auf die Preisgestaltung auswirkte.

Zum Tätigkeitsbereich des Stellmachers zählte außerdem die Anfertigung zahlreicher weiterer Arbeitsgeräte, angefangen vom einfachen Gerätestiel bis hin zu hölzernen Eggen und Pflügen, für die sie zahlreiche Modelle und Bauvorlagen vorrätig hatten. Da diese Konstruktionen auch von Landschreinern und Zimmerleuten angefertigt wurden, bestand, wie in vielen anderen Holzbereichen auch, eine erhebliche Konkurrenz. […]“


(Hermann Josef Stenkamp: „Damals bei uns in Westfalen. Töpfer, Seiler, Wannemacher. Bilder und Berichte zum alten Handwerk.“ 2000, Landwirtschaftsverlag GmbH Münster-Hiltrup)


Berufsbezeichnungen

Stellmacher, Stellmacherin, Wagner, Wagnerin, Radmacher, Gestellmacher, Wagenbauer, Wagenmacher, Achsmacher, Nabenmacher

Wagner in anderen Sprachen

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Afrikaans:wielhouer
Albanisch:timonxhi
Bosnisch:kolar
Bulgarisch:шофьор на колела
Dänisch:hjulmester
Englisch:Wheelwright, cartwright, wheeler
Esperanto:radfaristo
Estnisch:rattameister
Finnisch:vaunuseppä
Französisch:Charron
Friesisch:tsjilwriter
Griechisch:τροχοποιός
Irisch:rothaí
Isländisch:hjólreiðamaður
Italienisch:carradore
Kroatisch:kolar
Lettisch:riteņbraucējs
Litauisch:ratukas
Niederländisch:wagenmaker
Norwegisch:hjulmester
Polnisch:kołodziej
Portugiesisch:fabricante de rodas
Rumänisch:rotar
Russisch:колесный мастер
Schwedisch:hjulmakare
Slowakisch:kolár
Slowenisch:kolesar
Spanisch:ruedera, ruedero
Tschechisch:kolář
Türkisch:tekerlekçi
Ungarisch:bognár

Berufsfamilie:   Holzhandwerk
Spezialisierungen:   Schlittenbauer, Skiwagner, Kutschenbauer
verwandte Berufe: Schreiner


Zunftzeichen und andere Symbole der Wagner


Ausbildung zum Stellmacher

Foto: jugendlicher Handwerker bearbeitet großes Holzrad
[Foto: Schäfer]

„Die Ausbildung in diesem Beruf erfolgt in zwei Richtungen, nämlich in der allgemeinen Wagnerei und in jener der Skiwagnerei.
Die Herstellung von Wagenteilen aus Holz, also von Rädern, Gestellen, Brücken und Deichseln, auch von ganzen Wagen – daher der Name ‚Wagner‘ – macht die berufliche Tätigkeit dieses Fachmannes der Holzbranche aus. So sind Kenntnisse der Holzverarbeitung grundlegend. Das Bohren, Stemmen, Hobeln und Abziehen, das Zapfen und Verleimen und Dutzende anderer Arbeiten muss der angehende Wagner erlernen. Der aus der Landwirtschaft heraus entstande Beruf verlangt eine kräftige Konstitution, Handgeschick, technisches Verständnis und vor allem praktische Veranlagung.
Der Skiwagner hat das fachgerechte Herstellen von Skiern zu erlernen. Dazu muss er sich mit allen Holzarbeiten vertraut machen, dann aber auch lernen, wie man man Stahl- und Oberkanten montiert, Bindungen anbringt, wie man Beläge aufträgt und anderes mehr. Lehrzeit im Handwerk 3 Jahre.“

(aus: W. Leber / B. Burges: Der junge Mann vor der Berufswahl, Stuttgart 1966)


Aufbau eines Rades

altes Wagenrad aus Holz

Das Rad setzt sich aus
drei hölzernen Bauteilen zusammen:
Radnabe, Speichen und Felge.

Speichen, beim Stellmacher, Stäbe, welche auf dem Haufen einer Nabe, eines Rades eingezapft, mit den Felgen vereiniget sind, und daher das Rad bilden. Man verfertiget sie aus dem harten Eichenholze, weil sie eine vorzügliche Haltbarkeit haben müssen, besonders da sie nach dem Aeußern des Rades zu in etwas schief gerichtet auf der Nabe stehen. Sie werden aus dem gedachten Holze vorläufig mit dem Handbeile ausgehauen und nachher mit dem geraden Schneidemesser auf der Schneidebank völlig ausgearbeitet. An dem untern starken Theile erhalten sie einen Zapfen, welcher in der Nabe eingezapft wird. Die Speichen stehen auf der Nabe paarweise, das ist, zwei neben einander stehende Speichen nähern sich mehr, als die dritte eines neuen Paares. Zwischen zwei gepaarten Speichen werden jederzeit zwei Felgen zusammengefüget. Zwei und zwei Speichen nähern sich deshalb, damit sie der Zusammenfügung zweier Felgen um so mehr Haltbarkeit ertheilen. Diesen doppelten Abstand der Speichen findet der Stellmacher auf folgende Weise. Er theilt den Haufen einer Nabe, z.B. eines Hinterrades, in sechs gleiche Theile, und findet hierdurch, wo eine Speiche der sechs Paare eines Hinterrades zu stehen kommt. Jede der gedachten Abtheilungen theilt er wieder in zwei gleiche Theile und stellt jedes Paar auf diese Stellen, wodurch denn zwei Speichen immer näher zusammenstehen, als die folgende dritte des zweiten Paares. Nach Maaßgabe der Abtheilung stellt er jede Speiche auf den Haufen der Nabe an den Ort, wo sie eingezapft werden soll, und zeichnet mit einem Stifte oder Bleistifte das Zapfenloch nach dem Umfange desselben ab.

sw-Zeichnung: Teile des Wagenrades aus Holz
1770, Paris

Das Zapfenloch wird auf folgende Art eingestemmt. Der Arbeiter befestiget die Nabe mit dem Halter auf dem Radestock, und bohrt an jeder schmalen Seite und in der MItte des abgezeichneten Zapfenloches mit dem Zwickbohrer ein Loch. Hierdurch erleichtert er sich die Arbeit, wenn er das Zapfenloch mit dem Viereisen vermittelst des Klopfholzes aufstemmt. Wenn nun alle Zapfenlöcher auf solche Weise ausgestemmt sind, so werden die Speichen mit dem Possekel paarweise in die Zapfenlöcher der Nabe geschlagen. Der Stellmacher bohrt dann in ein benachbartes Zapfenloch ein Loch durch die Zapfen der eingeschlagenen Speichen mit dem Zwickbohrer schräg ein, und schlägt durch das Loch einen hölzernen Nagel. Auf diese Art werden alle Speichen auf der Nabe befestiget, außer daß das letzte Paar nicht verbohrt und nur mit einem Nagel in den Zapfen befestiget werden kann, weil keine angrenzenden Löcher mehr vorhanden sind. Zuletzt wird jede Speiche verzwickt, indem zwischen ihrem Zapfen und Zapfenloche kleine Keile oder Späne mit dem Handbeile hineingetrieben werden. Nachdem die Felgen verfertigt worden, so werden sie alle auf den Bock des Wagenrades, auf das vordere Ende der Speichen, gelegt, die nebst der Nabe auf dem Fügebock ruhen, erforderlich zusammengesetzt, und man deutet auf auf jeder Felge, nach Maaßgabe der Speichen an, wo die beiden Löcher jeder Felge, worin die Speichen befestiget werden sollen, ausgebohrt werden müssen, und jedes Loch wird nach und nach mit dem Durchstecher, Zäpfer und Locher ausgebohrt, die obern Enden aller Speichen werden mit einem Schneidemesser zu einem Zapfen abgeschnitten, und alle Felgen werden mit den Speichen vereiniget und aufgefügt.“

(aus: Ökonomischtechnologische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats, Stadt, Haus und Landwirthschaft, und der KunstGeschichte in alphabetischer Ordnung. von Johann Georg Krünitz, 1833)

Aufbau eines Wagenrades
2021, Brandenburg, Lobetal – [Sulamith Sallmann]

Werkzeuge der Wagner

sw-Illu: Werkzeuge und Werkstatt der Stellmacher
1870, FR, Paris
  • Axt
  • Bänke: Drehbank, Felgenbank, Schnitzbank
  • Beile: Handbeil, Seitbeil
  • Bohrer: Nabenbohrer, Zwickbohrer, Locher, Durchstecher, Zäpfer
  • Dechsel
  • Eisen: Stemmeisen, Viereisen
  • Hobel: Schabhobel, Speichenhobel
  • Klopfholz
  • Lehren: Meßlehre, Speichenlehre
  • Messer: Felgenmesser, Schneidemesser, Ziehmesser/Zugmesser
  • Montageplatte
  • Radmaschine (ab 1920 im Gebrauch)
  • Rundzapfenschneider
  • Säge: Spannsäge
  • Schablonen
  • Schmiege
  • Speichenklaue
  • Speichenzieher (Samson)
  • Stellmacherschlüssel
  • Wagnerblock, Fügeblock
  • Zirkel: Radzirkel, Stellmacherzirkel, Tastzirkel

Anfertigung von Rädern



Produkte der Wagner

  • hölzerne Teile landwirtschaftlicher Geräte
  • Leiterwagen
  • Karren: Handkarrenräder, Ochsenkarrenräder
  • Werkzeugstile
  • Teile einer Kutsche
  • Wagenräder: Schubkarrenräder

farbige Illu: Stellmacher mit Reifen in seiner Hand: Kinder gucken neugierig in seine Werkstatt
1908, USA

Filme

Der letzte seines Standes – Wagner Henninger

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Wagner zu Österreich

Die Wagner-Arbeiten

„Der Wagner (Gestellmadher, Radmacher etc.) ist ein zünftiger Handwerker, welcher vielerley ordinare Fuhrwägen, Schiebkarren, Tragbahren, Sänften, Schlitten, dann die Gestelle und Räder nebst den Kasten zu Kutschen u. a. Wägen verfertiget. In Österreich besteht für die Wagner- Innung seit dem 15. Nov. 1790 eine Handwerks-Ordnung, nach welcher die Lehrzeit auf 3, und wenn die Lehrlinge vom Meister auch die Kleidung erhalten, auf 4 Jahre festgesetzt ist. Der Geselle, der in Wien Meister werden will, muß 3 Jahre gewandert, bey einem Wiener Meister 2 Jahre gearbeitet, und seine Arbeiten so verfertiget haben, „daß sie gerecht und nutzbar seyen, und er vor Jedermann mit selben bestehen könne.” Die Meisterstücke waren seit vielen Jahren: ein Dreylingwagen, worauf man 40 Eimer Wein führen kann, sammt Zubehör; ein Achsengestell zu obigem Dreylingwagen; ein Mühlgericht, worauf man 2 Muth Weitzen führen kann, sammt Zugehör, eine 2 Metzen haltende Scheidtruhe sammt dem Rädchen; — in Wien besteht aber gegenwärtig das Meisterstück in der Verfertigung des Kastens zu einem vierfüßigen Schwimmer.

Die Bestandtheile der Wägen sind nach Verschiedenheit derselben auch wieder verschieden ; doc) sind die Hauptbestandtheile immer die Gestelle mit den Rädern, und die Kasten. Von Wagengestellen gibt es folgende Gattungen: LangwiedgesteIle, welche eine Langwied, d. i. eine lange, die beyden Achsen verbindende Stange haben; Stutzengestelle mit halber Langwied, und mit der vordern Achse durch einen Schwanenhals oder Stutzen aus Eisen verbunden, welche Bauart den Wägen das Umkehren gestattet; Baumgestelle mit 2 eisernen Verbindungsbaumen, Schwanenhalsen. Auch die Wagenkasten sind sehr vershieden: es gibt gewöhnliche Kalesche, Ballons-Kalesche, aufgeschweifte Kalesche, Schwimmer-Kalesche, Cabriolle, Phaetons, zweysitzige und vierfigige Schwimmer, zweysitzige und viersitzige Landauer, Chineser u.s.w.
Von den ordinären Fuhrwägen gibt es Leiterwagen, Baumwägen, schwere Fuhrwägen, kleinere Karren u. dgl. Auch gehören hierher die Schlitten, die bey der Armee gebräuchlichen Munitionswägen und Lastwägen, die Lafetten zu Kanonen, die Böllerschleifen u.s.w.

Das Wagengestelle ist aus dem Vorder- und Hinterwägen zusammengesetzt, an deren jedem die Räder mit ihren Achsen zu den wesentlichsten Theilen gehören. Jedes Rad besteht aus der Nabe, den Felgen und den Speichen. Die Nabe ist das mittlere ausgehöhlte Holzstück, worin die Achse läuft und im welchem die Speichen stecken, Die Speichen, deren jede Nabe 12 hat, laufen von dieser wie von ihrem Mittelpuncte aus, und werden von außen durch die Felgen befestiget, welche den Umkreis des Rades bilden. Zur Bildung der Nabe bedient sich der Wagner einer Art von Drehbank, welde in der neuern Zeit einige Verbesserungen erhielt; die Speichen und Felgen bearbeitet er mit Handbeilen, Schneidemessern, Hobeleisen, Bohrern etc. Zwischen der Spalte der beyden Achsen wird die Deichsel mittels der Deichselnagel befestiget. Die Säulen und Riegel des Kastens werden erst grob zugehauen, und dann mit Hobel und Schneidemesser vollendet. Der Boden des Kastens besteht aus 2 Schwellen, und bey einem viersitzigen Wagen aus 4 Querschwellen, die in jene eingezapft werden. Die Säulen bekommen an der breiten Seite 2 Mittelsäulen. Sie werden in die Schwellen eingerichtet und auswendig oft mit Gesimsen verziert. Zur Decke senkt man Sperrhölzer nach der Quere ein, und zwischen 2 und 2 Mittelsäulen bringt man die Thüren an. Zulegt wird aller Raum zwiscchen den Säulen und Sperrhölzern mit dünnen Bretern ausgetäfelt, so wie auch der Boden Breter erhält. Der Kasten wird immer als der künstlichste Theil des Wagens betrachtet, daher er in der Regel vom Altgesellen gemacht wird. Der Lehrjunge fängt stets mit den Rädern an. Ehemahls benöthigten die Wagner auch des Bildhauers, welcher die feinen Verzierungen ausschnitt; jetzt sind diese zum Theil nicht mehr üblich, und die wenigen nöthigen werden vom Wagner selbst gemacht.

Zu den Rädern und zwar zur Nabe wird gewöhnlich Rustenholz, zu den Speichen Eschenholz und zu den Felgen (wozu das Rustenholz am besten wäre) Buchenholz, zum übrigen Gestelle Eichenholz, manchmahl auch zum Theil Rustenholz, welches aber hierzu nie so gut ist, zu den Achsen Eschenholz, zu den Kasten, nähmlich zu den Schwellen und Säulen Buchenholz, zu den Tafeln Lindenholz verwendet. Bey den Lafettengestellen für die Kanonen ist die Wand aus Eschenholz, der Protzstock, die Achse, das Schlußkeil- und Unterlagsholz zur Richtmaschine aus Rustenholz; die Böller- oder Bombenmörserschleifen erhalten Wände von Ruſtenholz; bey den Munitionswägen und Munitionskarren sind die Achse und Nabe aus Rustenholz, die Felgen aus Buchenholz, die Speichen aus Eschenholz, der Küpfstock, die Schalen, die Leichsen und das Schloßkeilholz von Rustenholz, die Leiterschwingen, Schloßkeilschwingen und Deckelbogen aus Buchenholz. Bey den Schiebkarren wird Birkenholz verarbeitet, mit Ausnahme des Rades, eben so zu den Fuhrwägen; doch sind die Achsen meist aus Buchenholz, die Arme und Stangen aus Birkenholz. Alle diese Hölzer, die man unter dem Nahmen Wagnerholz begreift, müssen vor dem Verarbeiten gut ausgetrocknet seyn. Buchenholz soll 1 bis 1,5 Jahr an einem trockenen Iuftigen Orte liegen; hat es noch die Rinde und bleibt es länger liegen, so bekommt es weiße Flecken und wird mürbe (die Wagner sagen: es stockt). Eschenholz soll 2, 3 bis 4 Jahre, Rustenholz 3 bis 4 Jahre, lindene Tafeln sollen 7 bis 8 Jahre liegen; Birkenholz 1 Jahr. Das Wagnerholz kommt unter diesem Nahmen schon im Groben geformt aus den Waldgegenden. Wien bezieht seinen Bedarf aus dem gebirgigen Theile des Kreises unter dem Wienerwalde, Man kauft es nach Stücken. 240 Speichen (aus dem Graben geschnitten) nennt man ein Pfund, und dieses kostete zu Wien im Herbste 1821 bey einer Lange von 3 Schuh 30 bis 52 fl. W. W. Es gibt auch 2,5 Schuh Iange Speichen. Die längeren nennt man hier Wasserspeichen, weil sie auf der Donau gebracht werden. Die Felgen werden Wagenweise, d. i. zu 22 Stück gekauft, und kosteten zur selben Zeit 4 bis 6 fl. W.W.; die Stangen kauft man nach dem Schilling zu 30 Stück; alles übrige Holz Paar- oder Stückweise. Um eine Kutsche zu vollenden, sind außer dem Wagner noch Schmiede, Schlosser, Sattler, Gürtler, Platirer, Glaser, Drechsler, Posamentirer, Mahler, Lackirer und Vergolder nöthig, insbesondere bey jenen Wägen, die der Mode unterworfen sind. Die Wagner dürfen im Inlande, wenn sie nicht ein förmliches Landesfabriks-Befugniß besitzen, ihre Wägen nicht vollenden, oder auf eigene Rechnung durch Sattler vollenden lassen; sondern die Vollendung steht bloß den Sattlern und größeren Wagenfabrikanten zu.

Da man bey den Wägen sowohl auf die erste Bedingung, sie so einzurichten, daß man darin sicher und bequem mit möglichst geringer Kraft von der Stelle kommen kann, als oft auch auf äußere Form und Schönheit Rücksicht nimmt, so hat der Erfindungsgeist des Menschen auch an den Wägen mancherley Verbesserungen und Veränderungen anzubringen gesucht. Eine wesentliche Verbesserung war die Verkürzung der Wagengestelle. Man hatte ehemahls Langwiedgestelle, die 7 bis 8 Schuh lang und sehr stark im Holze waren; jetzt macht man sie 5 1/3, höchstens 6 Schuh lang. Auch die Baumgestelle sind kürzer geworden. Nur die Wägen für die Türkey müssen noch die übliche Länge haben. Hauptsächlich wurden Verbesserungen in der Zusammenfügung der Gestelle und Kasten gemacht; sie werden leichter und doch dauerhafter gearbeitet, als vormahls. Der Sattlermeister Gottfr. Liebelt in Wien erfand J. 1817 schiffartige Wagengestelle mit breiten Radfelgen. Bernhard in Ungarn erfand J. 1812 eine Transportmaschine, d. i. einen Wagen, der nur 1/4 Kraft von einem gewöhnlichen Wagen erforderte. Zu London hat der Wagenmacher Bauer elastische Räder verfertiget, deren Speichen nicht von Holz, sondern von starkem gefirnißten Leder und von Stahl waren; auch hat man mit Grund die kegelförmigen Räder sehr empfohlen, bey welchen die Speichen schief in der Nabe stecken. Um die Reibung zu vermindern, hat man die hölzernen Achsen mit eisernen oder stählernen vertauscht, welche in messingenen Büchsen laufen, womit die Naben ausgefüttert werden, und zu den Wagenachsen schlug man damascirte Stäbe vor. Um das Abfliegen der Räder zu verhindern, hat man allerley Sicherheitsvorkehrungen erdacht, z. B. einen Ring, in welchem das Rad zu laufen hat. Man brachte nebst den eigentlichen Rädern noch besondere Reserve- oder Sicherheitsräder an, um das Umfallen der Wägen zu verhüten. Der Wagner Zink zu Bregenz verfertigte Räder aus einem einzigen Stücke Holz, welche die gewöhnlichen übertreffen sollen, besonders da das hierzu verwendete Holz, meist Nuß- oder Eschenholz, eigens durch Kochen und Dämpfen vorbereitet wurde. Neander zu Berlin erfand die gebogenen Radfelgen, welche wegen geringerer Zerbrechlichkeit die aus einem Kloben gehauenen sechstheiligen Kreisbogen übertreffen.“

Quelle: Stephan Ritter von Kees: Darstellung des Fabriks- und Gewerbswesens in österreichischen Kaiserstaate. 1819, Wien