Die Schneider

Foto: Nähgarn in blau und gelb

Hand schneidet mit Schere
1892

Die Schneider verarbeiten textile Stoffe zu Bekleidung.

Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts
wurde Kleidung meist in Klöstern hergestellt
oder bei den einfachen Leuten von Familienmitgliedern selbst.

Erst dann kam nach und nach der spezifizierte Beruf des Schneiders auf und gehört heute zu den handwerklichen Berufen der Textilverarbeitung.


Berufsbezeichnungen

Der Beruf des Schneiders auf einer Briefmarke: früher und heute im Vergleich
1986, BRD

Schneider, Schneiderin, Kleidermacher   –  
veraltet:   Schrader,   Schnyder,   snyder,   snider,   snidir
(schweizerisch)   Schnider,   Nater,   Schröter

in anderen Sprachen
Afrikaans:snyer
Albanisch:prerës
Baskisch:ebakitzailea
Bosnisch:krojač
Bulgarisch:фреза, шивач
Chinesisch:切刀
Dänisch:skrædder
Englisch:tailor, dressmaker, cutter
Esperanto:tajloro
Finnisch:räätäli, vaatturi
Französisch:tailleur, tailleuse, couturier
Griechisch:ράπτης
Isländisch:klæðskeri, skraddari
Italienisch:sarto
Kroatisch:krojač, šnajder
Latein:consutor, sarcinator, vestitor
Niederländisch:kleermaker
Norwegisch:skredder
Polnisch:krawiec
Portugiesisch:alfaiate
Rumänisch:croitor
Russisch:портной
Schwedisch:skräddare
Serbisch:кројач
Slowakisch:krajčír
Spanisch:sastre, costurero
Tschechisch:krejčí
Türkisch:terzi
Ungarisch:szabó

Berufsfamilie:  Textilhandwerk
Spezialisierungen:   Damenschneider, Herrenschneider, Hosenschneider, Incisor, Kolzenmacher, Änderungsschneider, Zuschneider (Meistergeselle des Schneiders?)
verwandte Berufe: Modedesigner, Näher, Lederschneider, Flickschneider

illu: Hände schneien mit Schere Stoff
[Illu: René Bresson]

Illu: Schneiderpuppe

Der Schneidermeister hatte meist Gesellen und/oder beschäftigte Gehilfen, die vor allem nähten, dressierten und bügelten. In Frankreich unterschied man im Mittelalter den Schneiderberuf von dem des Nähers (Nähknecht) – aber auch anderswo entstand die auftragsweise Zuarbeit von Männern wie Frauen, denen ausschließlich das Ausführen des Nähens nach Vorgabe obliegt.

Im 19. Jahrhundert fand eine Differenzierung in Damen- und Herrenschneider statt. Mit der Industrialisierrung entwickelte sich aber auch die Produktion der nicht individuellen ‚Konfektion von der Stange‘ – die heutzutage meist an Billiglohnländern wie China delegiert wird. Als Antwort darauf enstanden im 20. Jahrhundert neue kreative Berufszweige wie Modedesigner und Modeschneider. Obgleich zahlenmäßig dezimiert, findet man aber auch immer noch die traditionelle Maßschneiderei, die auf besondere Ausführungs- oder Stoffwünsche, wie auch auf von Normgrößen abweichenden Maße individuell auf Kunden eingehen kann. Daneben gibt es auch sogenannte Änderungschneider, die keine Kleidung neu herstellen, sondern lediglich abändern oder ausbessern … desweiteren Lederschneider, die Lederkleidung nähen und Kürschner, die Pelze zu Kleidung verarbeiten.

Maßnehmen

Mann nimmt Maß bei einem Herren
1897

Zunftwappen und Berufszeichen

„Der Schneider Wappen:
drei Läufe auf einem roten Lappen.“


Kleine Geschichte der Schneiderei

Zeichnung: Schneider sitzt am offenen Fenster und näht, Kinder schauen um die Ecke

„Ursprünglich wurden sämtliche Kleidungsstücke der Familie durch die Hausfrau gefertigt, die ihre heranwachsenden Töchter im Nähen und Zuschneiden unterwies. Auch Mönche stellten ihre einfachen Kutten selbst her. Im 12. Jahrhundert kamen vielfältigere Formen der Kleidung auf, und es entstand der Beruf des Schneiders. Je nach Mode und individueller Größe wurde das vom Kunden in Auftrag gegebene Kleidungsstück zugeschnitten und aus dieser Tätigkeit die Berufsbezeichnung abgeleitet.Der Beruf wurde vorwiegend von Männern ausgeübt. Frauen und Töchter von Schneidermeistern haben oft als Näherin, Flickerin und Büglerin mitgewirkt. Das Zuschneiden der Stoffe war ihnen untersagt, ebenso den Lehrlingen und Gesellen. Weißnäherinnen als Hersteller von Bett- und Tischwäsche wurden nicht dem Schneiderhandwerk zugerechnet. Ein Meister durfte maximal 4 Lehrlinge und Gesellen beschäftigen. Die Gesellen unternahmen keine weiten Wanderungen und suchten sich einen Meister in der näheren Umgebung, wo sie gegen Kost und Logie beschäftigt wurden. Lehr- und Gesellenzeit dauerten insgesamt 4 bis 6 Jahre, und dann konnte das Meisterstück abgelegt werden. Der Schneider benötigte wenig Werkzeug, um seinen Beruf auszuüben. Die Zuschneideschere finden wir seit dem 14. Jahrhundert als Scharnierschere im Wappen als Symbol des Handwerks. Nadeln verschiedener Größe bezog er vom Nadler, Fingerhüte vom Gürtler, und Bügeleisen vom Zeugschmied. Um den Mittelfinger der Hand zu schützen, wenn die Nadel durch den kräftigen Stoff gestoßen wurde, fand ein aufgesteckter Fingerring Verwendung. Das Gewicht der verwendeten Bügeleisen betrug 10 bis 15 Kilogramm. Es gab Volleisen, die man im Bügelofen erhitzte, und Hohleisen, die mit glühenden Bolzen oder Jolzkohle gefüllt wurden. Mit Schnüren oder Papierstreifen wurden die Kundenmaße abgenommen, und danach der Stoff auf dem Schneidertisch zugeschnitten. Nun hockte sich der Schneider im typischen Schneidersitz auf den Tisch, um die Einzelteile mit Leinen- und Wollfäden, später auch mit Zwirn aus Baumwolle oder Seide, zu vernähen. Den Schneidern waren der Handel mit Rohstoffen und eine Vorratsproduktion untersagt. So mussten die Stoffe vom Kunden zur Verfügung gestellt oder vom Tuchscherer bezogen werden.Von wenigen Meistern mit guter Kundschaft abgesehen, war das arme Schneiderlein oft zutreffend. Auf den Land wurden einfache Arbeitshosen auch von Bauern im Nebenerwerb und Kolzenmachern hergestellt. Duch das Verlagssystem mit Konfektionsware gerieten die Schneider in die Abhängigkeit kapitalkräftiger Händler und Fabrikanten. 1860 wurde die Nähmaschine erfunden, und gedruckte Schnittmuster machen es möglich, dass die Schneiderei als Hobby ausgeführt werden kann. Maschinen für den Zuschnitt und das Nähen der Knopflöcher führten zu einer weitgehenden Verdrängung des Handwerkes. So finden wir heute nur noch wenige kleine Betriebe, die teure Maßbekleidung anfertigen oder einfache Änderungen und Reparaturen ausführen.“


Schneider im Mittelalter


Schneider im 16. Jahrhundert

Holzschnitt: zwei Schneider beim Nähen und ein Schneider schneidet Stoff zu
1568

Schneider im 17. Jahrhundert

Schneider, schneidern
1635 [Jan van Vliet]

Schneider im 18. Jahrhundert


Schneider im 19. Jahrhundert


Schneider im 20. Jahrhundert


Arbeitsorte der Schneider

Schneiderstube, Schneiderwerkstatt, Schneiderei

Schneider näht in seiner Stube

Handwerkzeuge und Hilfsmittel der Schneider

Zeichnung: Schneiderin und einige Utensilien für die Arbeit
[Zeichnung nach Daga Littafin]

Die traditionellen Handwerkzeuge des Schneiders sind von alters her
Nadel, Faden, Schere und Bügeleisen. Außerdem noch die Schneiderkreide (Talk), das Maßband, der Fingerhut, Nähgarn


Asiatische Schneider


Sprüche und Redewendungen

Foto eines Schaufensters mit Nähmaschine, Schere, Garnrollen
2015 – [Foto: Sulamith Sallmann]
  • Was die Gewohnheit nicht macht‘, sagte der Schneider, als er merkte, dass er einen Lappen von dem Stoffe seiner eigenen Hose gestohlen hatte.
  • Es ist alles eingegangen‘, sagte der Schneider, als der Bauer das Tuch zurück haben wollte.
  • Alte Schneider sind selten so reich als alte Wucherer.
  • Beim Schneider muss man nicht um die Nähnadel feilschen.
  • Der Schneider sucht die Nadel und verbrennt um einen Groschen Licht dabei.
  • Ein guter Schneider setzt wol auch einmal den Lappen neben das Loch.
  • Ein jeder Schneider meint, er schneide die beste Kappe zu.
  • Faule Schneider nehmen lange Fäden.
  • Schneider haben oft die schlechtesten Kleider.
  • Was soll dem Schneider das Tuch, wenn er keinen Rock daraus machen kann.
  • Wenn der Schneider feiert, so verrosten die Nadeln.
  • Wenn der Schneider zu scharf anzieht, zerreisst der Faden.
  • Wir wollen alle Schneider sein und können doch nicht nähen.
  • Dem Schneider ist viel unter den Tisch gefallen.
  • Den Schneider ausklopfen.
  • Der Schneider hat das Mass verloren.

Zungenbrecher

Schneiderscheren schneidet scharf, scharf schneiden Schneiderscheren.


Schwänke

Der Schneiderfahnen

Signor Capronymos Edler von der Nadel, Herr zu Fadenhofen und Zwirndorf, hat nunmehro sein blühendes Leben dem lieben Vaterland unter den Schneiderdiensten aufgeopfert;
und da ihm einsmals samt seinem Bügeleisen die natürliche Hitz ausgegangen, daß er tödlich erkranket, auch schon sogar in die letzten Züge gegriffen, hat ihn wegen der gestohlenen Fleck und Lappen das ängstliche Gewissennicht wenig gedrucket, sonderlich als ein erschröckliches Gesicht ihm die Todesschmerzen um ein Merkliches vergrößerte. Er sah nämlich den lebendigen Teufel in einer grausamen Gestalt, der dem Schneider aus allen seinen zusammengestohlenen Flecken einen aneinandergestuckten Fahn vorwies, welcher so groß war, daß er den völligen Himmel damit bedeckte; es waren in diesen Fahn genähet große Fleck, kurze Fleck, mittlere Fleck, breite Fleck, schmale Fleck, lange Fleck, kurze Fleck, tucherne Fleck, seidene Fleck, sammete Fleck, zeugene Fleck, grobe Fleck, klare Fleck, in summa allerlei Fleck, nur allein keine guldene Fleck waren darinnen.
Ach! wie war nicht dem armen Schneider dazumalen so übel zu Mut, er war erstarrt wie ein Fischbein, seine Backen sahen aus vor Forcht wie ein ungebleichter Zwirn, und bei jedem Anblick auf diesen Fahn gedunkte ihm, gleich würde sein bebendes Herz mit tausend Pfriemen durchstochen. Derowegen seufzte er in diesem großen Elend zu Gott und versprach, nicht allein alle Fleck wieder zurückzugeben, sondern auch hierfüro nicht das geringste Flecklein, sollte es nur einen Nagel breit sein, mehr zu entwenden und unter den Tisch fallen zu lassen. Berufet auch hierüber zu größerer Bestätigung seines Vorhabens und Gelübds den Altgesellen, mit Vermelden, daß, wenn ihm der Allerhöchste von dieser gefährlichen Krankheit aufhelfen würde, er mithin wiederum seiner Verrichtungen warten und die Kleider zuschneiden sollte, der Altgesell allezeit den Meister Schneider mit diesen Worten zu vermahnen habe: „Meister, gedenkt auf den Fahn!“ –
Was geschieht?
Der Schneider wird besser, die Krankheit weicht, die Kräfte nehmen zu, und Signor Capronymus merkt, daß er nunmehro im Stand sei, die große Scher zu halten, treibet dannenhero, wie er gepfleget, wieder sein voriges Handwerk, da dann der Altgesell, so oft sein Meister ein Kleid zugeschnitten, keineswegs vergessen zu sagen: „Meister, gedenkt auf den Fahn!“
Einsmals bestellte ein vornehmer Herr ein Kleid bei dem Schneider und erkaufte hierin ein reiches Goldstück. Als es aber zu dem Zuschneiden kommt, sticht den Schneider das schöne Zeug in die Augen, vergisset darüber sein Gott getanes Versprechen, schneidet einen großen Fleck, so just auf ein Weiberhauben genug war, davon weg und läßt ihn hinter die Bank fallen. Alsobald schreit der Gesell: „Meister, gedenkt auf den Fahn!“ Aber Signor Urian kehr sich wenig daran, sondern widersetzt sich dem Gesellen: „Narr, laß mich schneiden, dieser Fleck ist nicht in dem Fahn gewesen!“


(aus: Alte Handwerkerschwänke. Leipzig)

Die große Juppe

Das Bäuerlein lässt das Schneiderlein fragen,
Wie viel Ellen Tuch er zur Juppe muss haben.

„Dreihundert Ellen, die müsst ihr haben,
Wenn ihr ’ne gefältelte Juppe wollt tragen.“

Das Bäuerlein lässt das Schneiderlein fragen,
Wie viel Futter er zur Juppe muss haben.

„Zweihundert Ellen, die müsst ihr haben,
Wenn ihr ’ne gefütterte Juppe wollt tragen.“

Das Bäuerlein lässt das Schneiderlein fragen,
Wie viel er Fischbein zur Juppe muss haben.

„Vierzig Stengel, die müsst ihr haben,
Wenn ihr eine gute Juppe wollt tragen.“

Das Bäuerlein lässt das Schneiderlein fragen,
Wie viel er Band zur Juppe muss haben.

„So viel Ellen Band müsst ihr haben,
Als ein Krämer auf dem Rücken kann tragen.“

Das Bäuerlein lässt das Schneiderlein fragen,
Wie viel er Heftel zur Juppe muss haben.

„Dreißig Schock Heftel, die müsst ihr haben,
Wenn ihr eine gute Juppe wollt tragen.“

Das Bäuerlein lässt das Schneiderlein fragen,
Wie viel er für die Juppe muss Macherlohn haben.

Das Schneiderlein lässt dem Bäuerlein sagen:
„Dreißig Taler muss ich zum Macherlohn haben.“

Das Bäuerlein ließ das Schneiderlein fragen,
Wann er die Juppe würd fertig haben.

„Auf den Sonnabend um die Vesperzeit,
Da wird die Juppe fertig sein.“

Und da es um die Vesperzeit kam,
Da brachten die Juppe zehn Schneider getrag’n.

Und da sie vor die Haustür kamen,
Da mussten sie ein Vorgespann hab’n.

Und da das Weib in die Juppe nein kam,
Da war sie über der Achsel zu schmal.

(aus: Alte Handwerkerschwänke. Leipzig)


Brauchtum

In einigen Gegenden der Schweiz war es Brauch, dass der Schneider des Bräutigams die Gäste zur Hochzeit einlud.


Heiliger Schutzpatron der Schneider

Johannes der Täufer


Filmbeitrag

SWR. Handwerkskunst! Wie man ein Sakko schneidert.