Als Hausierer werden von Haus zu Haus ziehende Kleinhändler ohne festen Standort bezeichnet,
die ein eigens gewähltes Warensortiment auf eigene Rechnung anbieten.
Käs’anbieter, …
Da sich das Kaufgeschehen bis Ende des 19. Jahrhunderts vorwiegend auf Straße und Plätzen abspielte, bezog man viele Waren des täglichen Gebrauchs von fahrenden Händlern. Der Verkauf vor und hinter der Haustür brachte dieser Berufsgruppe umgangssprachlich den Beinamen ‚Klinkenputzer‚ ein.
Beckwahrn’mann u. Schliffer im 16. Jh
Früher zählte man übrigens auch Wandergewerbler, wie Scherenschleifer oder Kesselflicker, zu Hausierern, da sie – ihre Dienste anbietend – ins Haus kamen.
Höker, Scher’schleifer u. Kesselflicker um 1820 in Wien
Das Warenangebot der Hausierer war äußerst vielfältig.
Feilgeboten wurden: Brillen, Billigschmuck und Trauringe aus Kupfer … Almanache, Liederbücher, Devotionalien und Kerzen … Seife, Schuhe, Schals und Tücher, Bänder, Spitzen, Näh- und Schreibzeug … Blechgeschirr und sonstiger Hausrat … Werkzeuge, Besen, Korbwaren und Mausefallen … kleine Spielzeuge sowie Süßigkeiten und Lebensmittel … aber auch Vögel und andere Kleintiere. Es lässt sich wahrlich nicht alles aufzählen, was an Haustüren oder auf der Strasse verhökert wurde; natürlich gab es auch regionale und jahreszeitliche Unterschiede.
um 1880
Vor allem in Bergregionen war die Tätikeit des Hausierens bis Mitte des 20. Jahrhunderts weit verbreitet. Auch auf dem Lande war es (insbesondere in der Winterzeit) lange gang und gäbe, dass Leerlaufzeiten (also wenn es kaum landwirtschaftliche Aktivitäten gab) von bäuerlichen Familien-mitglieder genutzt wurden, um durch Hausierhandel den Lebensunterhalt aufzubessern.
1568 – [Jost Amman] [Hans Sachs]Ich bin ein Krämer lange jar / Kompt / vnd kaufft hie mancherley Wahr / Als Brüch / Pfeiffen / vnd Schlötterlein / Item / Würtz / Zucker vnd Brentn Wein / Spiegel / Schelln / Käm / Nadl vnd Harbant / Leckkuchn / Nestel vnd Brillen gnannt / Die Krämerey mancherley Wahrn / Erfand lieber Pater vor jarn.
um 1575um 1575
Gleich gern gesehen in Hütten und Burgen, zogen die fahrenden Händler durchs Land. In ihren Kramkörben führten sie Nadeln. Spindeln, Garne, Fingerhüte und farbiges Band. Andere ihres Gewerbes brachten Lebensmittel, Fische und Wein, hatten Seil, Taschen, Putzsachen, Gürtel, Kämme aus Horn und Ketten aus Bein. Nachrichten hatten sie oft zu vermelden, kamen sie doch durch das Wandern umher, sahen viel Dörfer, Städte und Menschen, hörte von Nöten, Händeln und mehr.
[Sammelbildtext]
um 1625, Niederlande – [Rembrandt van Rijn]
um 1650, Niederlande
um 1780, Schweden – [Pehr Hilleström d.Ä.]
1860 – [A. Thiel]
Anzeige
Der Hausierhandel
1741 – [A. Dietrichs]
um 1880 – [Fritz Beinke]
1882 – [Fritz Beinke]
1896 – [Friedrich Kallmorgen]
H a u s i e r h a n d e l ist das Anbieten von Waren an die Konsumenten im Umherziehen von Haus zu Haus, von Strasse zu Strasse, von Ort zu Ort mit kleinem Vorrat.
Die Waren sind entweder eigenes Erzeugnis, oder von Anderen zur Weiterveräusserung bezogene Gegenstände, d.h. eigentliche Handelswaren. Das eigene Erzeugnis kann aus okkupatorischer Tätigkeit herrühren (wie z.B. Fische, Beeren, Sand) oder als Stoffumwandelnder [wie Holzgeräte, Bürste, Uhren). Der Hausierhandel mit eigenen Erzeugnissen war der ursprüngliche und lange Zeit allein geduldete; hing er doch aufs engste Zusammen mit dem Ursprung und der Entwicklung der Gewerbe und des Handels überhaupt.
[Eugen Dennig: ‚Der Hausierhandel in Baden‘ – 1899]
1858, USA
um 1860, England – [Gustave Doré]
1873, Österreich
1873, Österreich
um 1890, Türkei – [Salvator Valeri]
Das gemeinsame Merkmal der Hausiererei ist, daß der Verkäufer den Käufer aufsucht.
‚Stadthausierer‘ im 19. Jahrhundert
Wenn dies im Haus des Käufers selbst geschieht, kann man von eigentlicher Hausiererei reden, während man von Wanderlager- oder Wanderbuden-hausiererei spricht, wenn sich der Verkäufer nur am Wohnort des Käufers (Dorf) einfindet, wo er in einem Lager oder einer Bude kampiert. Stadthausiererei ist es, wenn das Absatzgebiet des Hausierers eine (größere) Stadt ist; Überlandshausiererei, wenn er von Ort zu Ort zieht. Der Hausierer greht den Kunden an, verhält sich aktiv, während der Markt- oder Meßbesucher und der seßhafte Kaufmann passiv bleiben.
Das klassische Erscheinungsbild wandernder Händler war neben einem Wanderstock die auf dem Rücken transportierte Ware, weshalb diese vielerorts auch Buckelkrämer genannt wurden.
um 1750
um 1850, England – [Frederick Middlehurst]
um 1870, Frankreich
um 1880, Österreich – [Otto Schmidt]
um 1880 – [Alfons Richwien]
Viele Hausierer benutzten Tragekörbe, Rückenkiepen, Reffs und mancherlei kuriose Tragegestelle; andere banden sich kleine Schränkchen oder Kisten mit Schubfächern auf den Rücken oder trugen sie an einem Tragband über der Schulter.
1881, Frankreich
um 1900, Italien
um 1880, Italien
1902, Mexiko – [Winfield Scott]
1905 – [Gottlieb Schäffer]
So es das Handelsgut zuließ, wurde es oft auch einfach zu einem tragbaren Bündel verschnürt oder in einem Quersack verstaut.
um 1690 – [Johann Joachim Pfeiffer]
um 1750 – [Martin Engelbrecht]
1856, Schweiz – [Xaver Schwegler]
1866
um 1910, Bulgarien
Um Kleinzeug anzubieten war eine vor’m Bauch getragene Presentationskiste – der sog. ‚Bauchladen‘ – eine praktische Lösung.
Mittelalter
18. Jahrhundert
1886, England – [Walter Crane]
1888 – [L. Bianchi]
Wer hatte, nutzte gern einen Esel zum Transportieren der Waren. Eine vor einen Karren gespannte Ziege oder ein treuer Hund taten’s natürlich auch. Hatte man einen Karren, aber kein Zugtier, musste man diesen zwar selber ziehen, war aber immer noch besser dran. Denn so musste der Händler seinen Rücken nicht überstrapazieren, konnte obendrein mehr Waren mit sich führen und mit einer Plane drüber hatte er ggf. zugleich ein möglicher Schlafplatz.
1879, Texas – [Doerr & Jacobson]
1890, Kuba
1895, Spanien
um 1910
Konnte sich ein Händler für sein Hausiergeschäft ein Pferdefuhrwerk und späterhin (zu Zeiten zunehmender Technisierung) ein Automobil leisten, galt er bereits als sozialer Aufsteiger.
1868, USA – [T.W. Wood]
1920, USA
um 1930, Polen
Dies & das
Volkstypen – echte Originale
1878, Österreich – [Otto Schmidt]
1878, Österreich – [Otto Schmidt]
1908, Schweiz – [J. Rudolf Frösch]
1909, Schweiz – [Stäger-Photo]
um 1935, Schweiz
Der Hornickel kütt
Der frühere Eifeler Hausierer war Universalhändler. Er hatte von allem etwas in seinem Hausiersack: Haus- und Küchengeräte, Hosenträger und Schuhriemen, Wolle, Textilien und anderes mehr. Der heutige Eifelhausierer ist Spezialist geworden. Er führt entweder nur Bürstenwaren oder Fußmatten, Wolle, Strümpfe oder derlei Dinge. . Es waren viele Originale darunter, aber der König von ihnen blieb doch der H o r n i c k e l . Er stammte aus einem armen Dorf […] Die Landstraße war seine Welt. Mit was er eigentlich hausieren ging, war nie restlos zu erfahren. Er schleppte stets einen unergründlichen Sack mit allerhand Zeug mit sich. Noch undurchsichtiger war seine Kleidung und Erscheinung. Er war wie in Lumpen und Sackleinen gehüllt, und mit seinem struppigen Bart und einem tief in den Kopf gezogenen alten Hut war er der Kinderschreck in den Eifeldörfern. Man hielt sich darum stets in achtungsvoller Entfernung von ihm, was aber nicht hindern konnte, daß, sobald er sich dem Dorf näherte, es straßauf, straßab aus Kindermund schallte: »Der Hornickel kütt!« Zwei, drei Jahrzehnte hindurch war er in einem großen Teil der Eifel bestbekannt. . Vor fünfzig Jahren wurde eine Postkarte mit seinem Bild verkauft, auf der zu lesen stand: ……..Von Andernach bis Gerolstein, da ist die ganze Eifel mein. …….Von Gerolstein bis Trier, gehört sie auch noch mir! Damit war das Wirkungsfeld von Hornickel räumlich genau umrissen. .
[Dr. Viktor Baur: ‚Ausgestorbene Eifelberufe‘– Eifel-Kalender 1955]
Die Sache / Kiste mit dem Murmeltier
Früher zogen savoyischen* Hausierer mit Murmeltieren (franz.:marmottes) auf ihren Holzboxen umher und ließen die dressierten kleinen Begleiter Kunststücke vorführen. Bekanntermaßen sitzt bei vergnügten Kunden das Geld lockerer (ebenso machten sich das ja auch Leierkastenspieler mit ihren Äffchen zunutze).
So kam es, dass die Tragekästen der Hausierer schließlich teils selber ‚Marmottes‘ genannt wurden.
[*Savoyen: historisch franz. Bergregion an der Grenze zur Schweiz und zu Italien]
1716, Frankreich
Es gibt sogar ein altes Lied dazu …
..1. Strophe: »Ich komme schon so mancher Land, Avec que la marmotte. Und immer was zu Essen fand, Avec que la marmotte..
.Refrain:
Avec que si, avec que la, Avec que la marmotte, Avec que si, avec que la, Avec que la marmotte.«
[Text: Goethe/ Melodie: Beethoven]
weitere Themen:
Hausierverordnung
Hausiererlaubnis / Hausierschein
» Hausieren verboten! «
um 1870
um 1910
um 1935
Noch heute lassen sich Hinweise an Häusern, Türen oder in Hausfluren entdecken, welche die vergangene Ära der Hausiererei bezeugen.