Der Sandmann

sw Gemäldefoto: Sandtransport per Pferdewagen, Hundekarre und Rückentrage - 1855

Die Berufsbezeichnung  Sandmann  ist bereits aus dem Mittelalter überliefert.
Ihre Arbeit war so arg, so eine Schinderei, dass selbst die, die sie ausübten, kaum darüber sprachen. Sandmänner und -frauen  (häufig als  ‚Sandhasen‘  verspottet)  gehörten zu den Ärmsten der Armen und hatten zudem nur eine geringe Lebenserwartung. Beständig geriet Sand in ihre Augen, die sich davon entzündeten und rot anliefen. Außerdem sammelte sich allmählich auch Sandstaub in ihren Lungen und meist zu Silikose (Staublunge) führte.

Holzschnitt: mittelalterlicher Sandmann - 1491

Als Sandmänner wurden die Leute bezeichnet, die meist als Tagelöhner
Sand abgruben, ihn klein hackten und ggf. in einer Mühle fein mahlten, um ihn dann
vor allem in Städten als sogenannten ‚Stubensand‘ zu verkaufen.

„[…] Ebenso bekannt wie der Schornsteinfeger war auch der Sandmann, der mit seinem Karren, vor welchem ein elendes Pferd, die sogenannte Sandkracke gespannt war, durch die Straßen fuhr und dabei seinen lauten Ruf erschallen ließ: 
»Sand!  Sand!  Wer kauft Sand?  Weißen Sand!« […]“

[Agathe Nalli-Rutenberg ‚Das alte Berlin – Erinnerungen‚ – 1913]


Berufsbezeichnungen

Sandmann  und  Sandfrau,   Sandgräber   –   (veraltet)   Sander,   Sandmacher   –
sowie   Sandhändler,   Sandkrämer,   Sandverkäufer

in anderen Sprachen
Bulgarisch:пясъчни продавачи
Dänisch:sand sælgere
Englisch:sandman
Esperanto:sablovendisto
Französisch:marchand de sable
Italienisch:venditore di sabbia
Latein:venditore di arena, di sabbia
Niederländisch:zand verkopers
Norwegisch:sand selgere
Polnisch:kupowane piasku
Portugiesisch:vendedor de areia
Rumänisch:vânzător de nisip
Russisch:песок продавец
Schwedisch:sand säljare
Slowakisch:piesok predajcovia
Slowenisch:pesek prodajalec
Spanisch:vendedor de arena
Tschechisch:písek prodávající
Türkisch:kum satıcıları
Ungarisch:homok eladók

Berufsfamilien:         Dienstleistung,   Verkauf
Spezialisierungen:   Bausandhändler,   Streusandhändler,   Silbersandhändler
verwandte Berufe:   andere Straßenhändler,   Sandmüller


Das Tagwerk der Sandmänner

“ […] der weiße Sand, der hier in den Bergen liegt […] war er eine Haupternährungs-Quälle für die gringern Leute, die sich mit dem Sand nach Bonn liefern befasten, verdienten alle Tage ihren Tagelohn […] Kameraden, die nach keinem was fragte, obschon die Arbeit nicht angenehm, und meistens sehr schwierig war.

sw Foto: Hundekarre mit Sandsäcken - 1900

Diesen weißen Sand gruben die Leute sich selbst hier in den Bergabhengen, wofür Sie den Eigenthümer der Parzellen, eine kleine Vergütung zahlte, konnten dan so viel Sand graben wie sie wolten, die Leute machten einen so genannten Malterssack voll Sand, luden denselben auf eine Schiebekarre, spannten einen Hund vor die Karre und schürgten denselben nach Bonn, und verkauft ihn dort meistens an Kunden oder von Haus zu Haus.

Wenn sie Morgens von hier abfuhren waren sie meistens gleich nach Mittag wieder so früh hier, daß sie deselben Nachmittag, wieder laden konnte für den anderen Tag, und so ging das meistens wenn nichts außergewöhnliches vor fiel einen Tag nach dem anderen […].“

[aus der Chronik von Wilhelm Rech, Ortsvorsteher von Roisdorf – 1910]

kolorierter Stich: Londoner Sandmann - 1804

Text zum Bild:

„Sand is an article of general use in London, principally for cleaning kitchen utensils. Its greatest consumption is in the outskirts of the metropolis where the cleanly housewife strews sand plentifully over the floor to guard her newly scoured boards from dirty footsteps, a carpet of small expense and easy to be renewed.“

Sand ist ein Artikel, der in London allgemein verwendet wird, vor allem zur Reinigung von Küchengeräten. Sein größter Verbrauch liegt in den Randgebieten der Metropole, wo die saubere Hausfrau reichlich Sand auf den Boden streut, um ihre frisch gescheuerten Bretter vor schmutzigen Fußspuren zu schützen, ein leicht zu erneuernder billiger Bodenbelag.

Farblitho: Sandgräber am Fluß ~1930

Sand wird entweder aus Flußsand oder durch den Tage- oder Untertageabbau gewonnen wurde. Relativ einfach fiel die Arbeit früher noch aus, wenn der Sand übertage zu gewinnen war. Weniger gemütlich wurde es beim Abbau von Sandstein untertage; mit primitiven Werkzeugen wie Spitzhacke, Meißel und Holzklöppeln drangen die Sandmacher immer tiefer in das Sandgestein ein. Dem Rauch von Öllampen ausgesetzt konnten sie in den schmalen Gängen oft nur in gebückter Haltung arbeiten und gehen. Diese Arbeitsbedingungen, Hunger und körperlichen Überanstrengungen führten zum frühzeitigen Tod vieler Sandgräber.


Im Rahmen der Industrialisierung des 20. Jahrhunderts wurden
die Sandschaufeln durch modernes Gerät und die Sandmänner durch Techniker ersetzt.


Wozu braucht/e man Sand ?

Gemäldeausschnitt: knieende Frau kehrt Stubensand auf - 19. Jh

Stubensand  ist ein feiner Sand, der zum Putzen gebraucht wurde.

Annonce: Katalogangebot für Sandtopfhalter - 1926

Bis vor gar nicht allzu langer Zeit wischte man samstags die gute Stube sauber, schüttete danach feinen Sand auf die Dielen und Böden, lief den Rest des Tages darauf herum, um am Abend dann, kurz vor dem Sonntag, den ganzen Sand samt Dreck auszukehren. Der Raum war danach blitzeblank sauber geschmirgelt. Auch in der Küche gab es nebst Seife und Soda zum Händewaschen ein Gefäß mit Sand.

Scheuersand  ist ein etwas gröberer Sand, der zum Reinigen von Zinn- und Kupfergefäßen sowie von Holzbottichen, in denen man Milchprodukte lagerte, benutzt wurde.

Farbfoto: Sand wird auf frisch Geschriebenes gestreut

Tintenlöschsand  (auch ‚Schreibsand‘ genannt) ist eine ganz besonders feingemahlene Sorte, die man früher zum Löschen übeschüssiger Tinte von frisch Geschriebenem verwendet. Nach dem Trocknen der Tinte wurde der Sand mit einer Feder vorsichtig entfernt.

Farbfoto: roter Schüttbehälter mit Löschsand

Löschsand  wird zur Brandbekämpfung von der Feuerwehr eingesetzt zur Aufnahme von ausgelaufenen Fetten und Ölen sowie um Brände von Chemikalien zu ersticken, bei denen Explosionsgefahr oder Gefahr von Säurebildung besteht.

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Sand wurde übrigens auch vom Kürschner zum Entfetten von Tierhäuten eingesetzt.

sw Foto: Soldat am Maschinengewehr im Schutz von Sandsäcken - 1919
sw Foto: Sandsäcke als Schutz bei Hochwasser - 1964, USA

Sandsäcke,  also mit Sand gefüllte Säcke,  wurden im militärischen Kontext als Deckung vor Granatsplittern und Einschüssen verwendet.
Im zivilen Leben nutzt man sie man v.a. als Schutz bei Hochwasser sowie zur Deichverstärkung und -erhöhung.

Streusand  wird im Winter bei Glatteis auf Geh- und Radwegen zur Abstumpfung des Untergrundes und auf Fahrbahnen zur Verbesserung des Reibungswiderstandes eingesetzt. Auch viele Schienenfahrzeuge verfügen über eine Sandvorrichtung, aus der während des Bremsvorganges oder Anfahrens des Zuges Sand auf die Schienen abgegeben werden kann.

Bausand  dient in erster Linie als Baustoff im Tief-, Verkehrswege- und Erdbau. Des Weiteren ist er einen wesentlicher Zuschlagsstoff für Beton und Mörtel, der als gut formbare Masse auch für die Innen- und Fassadenverzierung von Gebäuden verwendet wird. Quarzreicher Sand ist zudem ein Rohstoff für die Zementherstellung.

Farbfoto: Sandspielkiste im Schönbrunner Schlosspark - 2015, Wien

Desweiteren findet Sand auch im Gartenbau, bei der Landschaftsgestaltung, in Sportanlagen und auf Kinderspielplätzen Verwendung.

Quarzreicher Sand ist auch der Grundstoff für die Glas- und Zutat bei der Porzellanherstellung. Ferner dient er heute als Rohstoff für die Gewinnung von reinem Silizium als Ausgangsstoff für die Fertigung von Halbleitern.

Farbgrafik: rieselnder Sand in Sanduhr

Last but not least ist da noch der feinkörnige Sand,
der in Sanduhren hinab rieselnd zur Messung von Zeiteinheiten seinen Dienst tut.


Sand – eine endliche Ressource


Sand wird nach Wasser als der nach Volumen zweitwichtigste Rohstoff der Welt betrachtet. Der jährliche Verbrauch von Sand und Kies – hauptsächlich zur Beton- und Mörtelherstellung verwandt – betrugt 2018 rund 40 Milliarden Tonnen.

Durch das weltweite Bevölkerungs- und Städtewachstum und die damit verbundenen Bautätigkeiten besteht eine große Nachfrage nach geeignetem Bausand*, dessen natürliche Vorkommen in manchen Regionen fast erschöpft sind. Die große Nachfrage führte bereits zu internationalen Konflikten.

* Wüstensand entfällt, denn er ist für die Bauindustrie nicht brauchbar,
da sich die rund geschliffen Sandkörner durch fehlende Kanten nicht mehr verhaken können.


Der französische Regisseur  Denis Delestrac  drehte den Dokumentarfilm  ‚Sand Wars‘ 
über die Auswirkungen des Bausandmangels und die ökologischen und ökonomischen Auswirkungen des legalen und illegalen Sandabbaus und -handels.

deutsche Fassung:

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Der Sandmann – vom Kinderschreck zum Träumebringer

Zeichnung: Illustration zur Novelle 'Der Sandmann' - 1817


Ernst Theodor Amadeus Hoffmann  (1776–1822)  entwirft in seiner Schauernovelle  ‚Der Sandmann‘  eine typisch traditionelle Kinderschreckfigur, deren Auftreten Furcht und Schrecken verbreitet. Diese Sandmannfigur setzt Sand als eine für die Augen gefährliche und verletzende Waffe ein.

Zeichnung: Illustration zum Märchen 'Ole Lukøje' - 1842


Die Gestalt des uns heute vertrauten Sandmanns wird im Wesentlichen zurückgeführt auf die durch den dänischen Märchendichter Hans Christian Andersen  (1805–1875)  geschaffene Figur  ‚Ole Lukøje‘.  Regelmäßig vor dem Schlafengehen besucht er die Kinder, verschließt ihnen die Augen und erzählt eine Geschichte.


Seit gut 70 Jahren flimmert als Abendgruß für die Kleinen
das Sandmännchen via TV in heimische Stuben.

Farbfoto: Ost-Sandmännchen

Das  ‚DDR-Sandmännchen‘  wurde – mit einer kleinen Nasenlänge vorn –
am 22. November 1959 erstmals ausgestrahlt.

Farbfoto: West-Sandmännchen

Das  ‚BRD-Sandmännchen‘  gab es vom 1. Dezember 1959
bis zum 31. März 1989.


Redewendungen

Aus Sand kann man keinen Strick drehen.“
„Viele Sandkörner machen einen Berg.“

Zeichnung: Vogel Strauß steckt mit Kopf im Sand - 1877

„auf Sand bauen“ = keine sichere Grundlage haben
„den Kopf in den Sand stecken“ = eine Gefahr nicht wahrhaben wollen
„jemandem Sand in die Augen streuen“ = jemanden täuschen
„etwas gibt’s wie Sand am Meer“ = unzählbar viel
„etwas in den Sand schreiben“ = etwas verloren geben
„etwas in den Sand setzen“ = einen Misserfolg verursachen
„etwas rinnt wie Sand durch die Finger“ = etwas geht unaufhaltsam verloren
„etwas verläuft im Sande“ = ein ergebnisloses Ende
„Sand im Getriebe haben“ = etwas funktioniert nicht


Farbfoto: Sandhäufchen