Der Weber gehört zu den ältesten Grundberufen unserer Zivilisation –
er stellt aus verschiedenen Garnen unterschiedliche Gewebe her.
Berufsbezeichnungen
Weber und Weberin – (veraltet) Wäber, Wever
in anderen Sprachen
Bulgarisch: | тъкач |
Dänisch: | væver |
Englisch: | weaver |
Esperanto: | teksisto |
Französisch: | tisserand |
Griechisch: | υφαντής |
Isländisch: | vefari |
Italienisch: | tessitore |
Katalanisch: | teixidor |
Kroatisch: | tkalac |
Lateinisch: | liciatorium texentium, textor |
Niederländisch: | wever |
Norwegisch: | vever |
Polnisch: | tkacz |
Portugiesisch: | tecelão |
Rumänisch: | țesător |
Russisch: | ткач |
Schwedisch: | vävare |
Slowakisch: | tkáč |
Slowenisch: | tkalec |
Spanisch: | tejedor |
Tschechisch: | tkadlec |
Türkisch: | dokumacı |
Ungarisch: | takács |
assistierende Tätigkeiten: Treter, Zieher
verwandte Berufe: Haspler, Spinner
Spezialisierungen
Je nach Webtechnik, Garnart oder Endprodukt unterscheidet man in:
Bandweber | Leinenweber |
Barchentweber | Lodenweber |
Brettchenweber | Raschmacher |
Baumwollweber (Cottonweber) | Samtweber |
Gobelinwirker | Seidenweber |
Damastweber | Strumpfwirker |
Deckenweber | Tapetenweber |
Dirdendeyer | Teppichweber |
Fahnenweber | Tuchmacher (Wollweber) |
Frotteeweber | Zeugweber |
Lakenmacher | Ziechenweber |
Zunftzugehörigkeit & Zunftzeichen
Bereits 1099 bestand eine Weberzunft in Mainz.
Text zum Sammelbild:
Der Weber.
Die Weberwerkstätten lagen zumeist in abseits verborgenen Gäßchen. Die Weber sind wohl die älteste Zunft unter Rheinlands werkfrohen Meistern.
Die Augsburger Zunft hat gar wacker gekämpft in der Hunnenschlacht auf dem Lechfeld. Den rot und goldenen geviertelten Schild entrissen sie tapfe dem Feinde.
Bestätigt wurde die Kölner Zunft im Jahre 1149. Ebenda tobte die blutige Weberschlacht, nach welcher 33 Meister den Tod durch das Richtbeil des Rates erlitten.
1934 – Tengelmann-Sammelbild
mit Handwerker Darstellung von ca. 1575
Wann begann der Mensch mit dem Weben?
In ägyptischen Gräbern sind Zeichnungen gefunden worden, die den Anbau von Flachs und die Herstellung von Flachsfasern zum Weben von Leinen darstellen. Leinen wurde damals reichlich verwendet. Die Bandagen, in welche die Mumien der Pharaoengräber eingewickelt sind, bestehen aus diesem Material. Der Flachs war also schon in früher Zeit bekannt.
Seit etlichen Jahrtausenden werden auch Gewebe und Taue aus Hanf hergestellt. Die Hanfpflanze wurde wegen ihrer Fasern in China schon 2800 v. Chr. gezogen. Die Fasern sind rauer als die des Flachses und häufig auch stärker; deshalb werden sie vor allem für Taue und Matten und andere strapazierfähige Gewebe gebraucht.
[Jugendsachbuch, ca. 1970-80]
‘Liebig‘ Sammelbild-Serie von 1906
ZUR GESCHICHTE DER WEBEREI
1. Spinnen und Weben zur Zeit der Pfahlbauten
Nach Funden am Bodensee und auf der Roseninsel im Starnbergersee und an anderen Orten ist zu schliessen, dass die Weberei zur Zeit der Pfahlbauten so ziemlich allbekannt war; man spricht ihr sogar ein höheres Alter zu, als der Verwendung der Metalle.
Zuerst mögen die Ureinwohner unserer Erde wohl Tierfelle getragen haben, dann jedoch Wolle oder andere Faserstoffe zu Fäden gedreht und, wie aus mnchen Fundstücken ersichtlich, die Längsfäden mehr zum Schmuck getragen haben mit Muscheln, Perlen usw. besetzt. Schliesslich jedoch dürften einzelne Querfäden gezogen und diese nach und nach immer dichter aneinander gereiht worden sein.
2. Weberei und Teppichwirkerei bei den Griechen
Vor einiger Zeit aufgefundene altgriechische Gewebe und Stickereien deuten darauf hin, dass die Griechen die Stick- und Webkunst, die eine der Hauptbeschäftigungen der Frauen bildete, schon von alters her kannten.
Auch werden diese weiblichen Künste in den Liedern mancher griechischer Sänger gepriesen und der göttliche HOMER zeigt uns sogar Penelope, die Gattin des Odysseus, mit solchen beschäftigt. Der römische Dichter OVID erzählt uns von einer anderen Griechin, von Arachne, der Tochter des Idmos (eines Purpurfärbers aus Kolophon in Mäonien), die im Gefühl ihrer Geschicklichkeit sich vermass, die Göttin Athene zu einem Wettstreite herauszufordern, und als Probestück ein wundervolles Bildgewebe schuf. Die erzürnte Göttin verwandelte sie jedoch zur Strafe ihrer Kühnheit in eine hässliche, aber kunstfertige Spinne.
3. Kaiser Karl empfängt von den Gesandten des Kalifen Harun-al-Raschid Geschenke, bestehend in Geweben und Stickereien
Karl der Grosse (748-814) war sehr um die Entwicklung der Weberei bemüht und liess durch besondere Verordnungen die Frauen auffordern, sich der Verarbeitung der Wolle und des Flachses, sowie der Anfertigung von allerlei Kleidungsstücken zu widmen.
Er selbst trug nur Unterkleider aus der Leinwand, die von seiner Frau und seinen Töchtern gewebt worden war. Ausserdem schätzte er besonders friesisches Leinen und friesische Mäntel. Einen solchen verehrte er auch dem Kalifen Harun-al-Raschid als Gegengeschenk für dessen Sendungen von morgenländischer Seide und golddurchwirkten Teppichen.
4. Roger von Sizilien entführt Seidenwebereien von Korinth, Theben und Athen nach Palermo und nimmt viele Seidenweber als Gefangene mit
Ein sehr eifriger Gönner war der beutelustige Normannenkönig Roger von Sizilien (1031-1101), der die Städte Korinth, Theben und Athen, wo die Seidenweberei seiner Zeit in hoher Blüte stand, eroberte und neben den unermesslichen Vorräten an golddurchwirkten Seidenstoffen auch viele Seidenweber als Gefangene mit nach seiner Hauptstadt Palermo führte.
In der Kleiderpracht wetteiferten die Sizilianer dazumal mit Byzanz, wo die Seidenweberei und -stickerei ebenfalls sehr eifrig betrieben wurde. Sie übertrafen darin alle Völker weit und breit, sodass sie tonangebend für Europa wurden.
5. Großes Handelshaus für Gewebe aller Länder in Venedig, 1150
Unter dem byzantinischen Kaiser Manuel Komnenos erwarb Venedig 1147 so grosse Vorrechte, dass ihr der gesamte Handel mit Griechenland und dem Oriente zufiel.
Jahrhunderte lang zogen die deutschen Kaufleute über die Alpen nach der Lagunenstadt, wo sie ein eigenes Haus – ‚Fondaco Zedesco‘ genannt – besassen und Waren aller Art, besonders aber Gewebe eintauschten.
Von da ging die Haupthandelsstrasse über den Brenner nach Augsburg, Nürnberg, Mainz, Köln, Antwerpen und Brügge. Ebenso bedeutend waren die Routen mach Wien, Ungarn, Polen und Russland. Für Flandern waren Antwerpen und Brügge, für Holland Amsterdam und Haarlem, für Gothland Wisby und für Nordrussland Nowgorod Hauptstapelplätze.
6. Seidenspinnerei und Jacquardwebstuhl
Heutzutage geschieht die Verarbeitung der verschiedenen tierischen und Pflanzenfasern nicht mehr mit der Hand. Die Rohstoffe werden in besonderen Maschinen gereinigt. Das Spinnen, dass von unseren Grossmüttern noch in langwierig mühsamer Arbeit vermittelst des Spinnrades ausgeführt werden musste, wird jetzt von höchst sinnreich erdachten Apparaten besorgt. Die so gewonnenen, zuweilen höchst feinen Fäden werden dann auf mechanischen Webstühlen zu Tüchern und Stoffen aller Art, zuweilen in den reichsten Mustern, verwebt.
Charles Marie Jacquard, der Erfinder des nach ihm benannten Webstuhles mit auswechselbaren Kartenblättern, in die das Webmuster in zahllosen Löchern ausgestanzt ist, wurde zu Lyon am 7. Juli 1752 als Sohn eines Seidenwebers geboren. Lyon war damals der Hauptsitz der Seidenweberei und besonders der Herstellung von Gold-, Silber- und farbigen Brokaten.
Die Weber im Mittelalter
Ich bin ein Weber zu Leinen Wat /
Kan wircken Barchent vnd Sponat /
Tischthücher / Handzwehl / Facilet /
Vnd wer lust zu Bettziechen hett /
Gewürffelt oder Kamaca /
Allerley gmödelt Thücher da /
Auch Flechsen vnd wircken Haußthuch /
Die Kunst ich bey Aragnes such.
1568 – [Jost Amman / Hans Sachs]
Wirckt Sünde nicht, Es komt ans Licht.
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Der Spul wischt durch deß Lebens=Bahn,
noch schneller fährt deß Lebens=Stärcke.
Ach! dächte man doch offt daran
und wirckte schöne Glaubens=Wercke;
Dann wie man hie die Arbeit thut,
so folgt der Lohn bös oder gut.
Die Weber im 18. / 19. Jahrhundert
Arbeitsmittel der Weber
„Webstuhl und Schiffchen (Schützen) sind die Hauptwerkzeuge aller Arten von Weberei; die erstern aber findet man immer, je nachdem es zur Art der Zeuge (Gewebe) erfordert wird, in Nebendingen abgeändert.
Die Theile eines Weberstuhls sind: Die Walze, oder der Brustbaum, der Garnbaum, der Streichbaum, der Zeugbaum, die Querstangen, die Kämme, die Lade; dazu noch der Sitz, der Tritt, der Anschlag, der Spanner, die Bürste und der Theiler gehören. „
(aus: J.S. Stoy ‚Bilder-Akademie für die Jugend‘ – Nürnberg, 1784 ])
Webschiffchen
Webstühle
Die Entwicklung vom einfachen Webrahmen bis zum mechanischen Webstuhl
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1 Primitive Egyptian
2 Primitive Roman
3 Primitive Hindoo
4 Primitive Hand Loom
5 Power Loom – 1678
6 Fly Shuttle Hand Loom – 1733
7 English Power Loom – 1774
8 English Power Loom – 1785
9 Power Loom – 1786
Der Bau von Vorrichtungen, mittels derer ein durchgehender Stoff aus Fäden gewebt wird, liegt im Dunkel der prähistorischen Zeit und ist wahrscheinlich eine der ersten Erfindungen der Menschheit.
In Gräbern von Theben und auf Relikten ägyptischen Kultur sind Abbildungen einfacher Webrahmen überliefert. Die Bandagegewebe antiker Mumien bezeugen aufgrund der Feinheit und Regelmäßigkeit ihrer Textur, dass die Ägypter die Kunst des Webens besser beherrschten, als man es mit den anscheinend unvollkommenen Webstühlen für möglich hielte. Der älteste Vorläufer des späteren Webstuhls ist wohl der hinduistische Webrahmen; einige auf selbigen hergestellte antike indische Stoffe sind hinsichtlich ihrer feinen Textur unübertroffen. Die Verwendung des Webstuhls in Europa begann in der frühen christlichen Ära. Italien und die Niederlande waren eine Zeit lang die Länder, die sich diesbezüglich am meisten auszeichneten und über die größten Fachkenntnissen verfügte. Die früheste Vereinigung von Personen zur Förderung eines bestimmten Wirtschaftszweigs seitens der Regierung in England war die Gesellschaft der Weber im Jahre 1170. Und Edward III. scheint der erste britische Monarch gewesen zu sein, der flämische Textilhersteller aufforderte, nach England zu kommen und sich unter seinem Schutz niederzulassen.
1 U.S. Patent, Plain Loom – 1810
2 U.S. Patent, Plain Loom Weaving Broadcloth – 1830
3 U.S. Patent, Plain Loom – 1842
4 U.S. Patent, Plain Loom – 1852
5 U.S. Patent, Plain Loom – 1868
6 U.S. Patent, Continous Weft Loom – 1870
7 U.S. Patent, Positive Motion Loom for Oilcoth
8 U.S. Patent, Positive Motion Loom for Narrow Sheeting
9 U.S. Patent, Plain Loom
Der mechanische Webstuhl – also ein Webstuhl, der im Gegensatz zu einem Handwebstuhl maschinell betrieben wird – wurde bereits 1785 erfunden von Edmond Cartwright, einem aus Nottingham stammenden englischen Pfarrer mit Doktorwürde.
Zuvor hatte der Engländer John Kay aus Lancester das sog. ‚Fliegende Schiffchen‘ erfunden und 1733 patentieren lassen, welches das von Hand zu werfende Schiffchen ersetzte und einem Weber ermöglichte, die Arbeit von zwei oder drei zu erledigen.
Cartwrights Erfindung erfuhr anfangs seitens der Weber einen großen Widerstand; u.a. verbrannten sie eine Mühle, die fünfhundert seiner Webstühlen enthielt. 1806 ergänzte Cartwright seinen Webstuhl mit einem Dampfantrieb; in dieser perfektionierten Webmaschine wird das Schiffchen 180 mal pro Minute bzw. dreimal pro Sekunde geworfen. Im Jahr 1809 erhielt Cartwright für seine Erfindung eine Schenkung von 10.000 £ vom britischen Parlament.
Die erste amerikanische Fabrik, die sog. ‚Kraftwebstühle‘ einsetzte und in der Spinnen und Weben unter einem Dach betrieben wurde, entstand 1813 in Waltham (Massachusetts). Schätzungsweise waren 1831 in den USA bereits 33.433 solcher Webmaschinen im Einsatz.
1 Primitive Draw Boy
2 Primitive Jacquard
3 U.S. Patent, Power Pile Wires – 1837
4 U.S. Patent, Jacquard – 1842
5 U.S. Patent, Power Weaving Ingarn Carpet – 1849
6 U.S. Patent, Power Weaving Double Pile Fabrics – 1851
7 U.S. Patent, Moquette – 1856
8 U.S. Patent, Moquette – 1881
Der Jacquardwebstuhl wurde 1805 in Frankreich von Joseph-Marie Jacquard erfunden. Er war der Sohn eines Seidenwebers in Lyon und ursprünglich gelernter Buchbinder, der mit seiner Erfindung die Kunst des Musterwebens völlig revolutionierte. Jacquard, angeregt durch einen Preis für die Entwicklung einer Maschine zur Herstellung von Netzen, optimierte den 1745 von Jacques de Vaucanson entwickelten ersten vollautomatischen Webstuhl und baute die Webmaschine, die bis heute seinen Namen trägt.
Bei den Webern, die um ihre Arbeitsplätze fürchteten, stieß Jacquards Innovation zunächst auf heftigen Widerstand. 1806 fand in Lyon auf Befehl des Zunftmeisters der Weber sogar eine symbolische Hinrichtung statt, bei der ein Jacquardwebstuhl zerschlagen und verbrannt wurde.
Napoléon, auf das erfinderische Genie aufmerksam geworden, fragte bei Jacquard an, ob er den Webstuhl der französischen Regierung (welcher zum Weben von Schals mit imitierten Kaschmirmustern bestimmt war) nicht verbessern könne; zur Belohnungund sprach er ihm eine lebenslange Rente von 6.000 Franken zu.
Jacquard, verstorben im Jahr 1834, war einer der wenigen Erfinder, dem eine finanzielle Belohnung für sein geniales Produkt zuteil wurde; neben seiner Rente erhielt er für jede verkaufte Maschine eine Lizenzgebühr von 50 Franken.
1 Drop Box Movable Shuttle Boxes – 1760
2 U.S. Patent, Weaving Figured Goods – 1812
3 U.S. Patent, Fancy Loom – 1843
4 U.S. Patent, Fancy Loom – 1849
5 U.S. Patent, Weaving Venetian Carpeting – 1850
6 U.S. Patent, Fancy Loom – 1855
7 U.S. Patent, Open Shed Loom – 1884
8 U.S. Patent, Open Shed Broad Loom – 1884
9 U.S. Patent, Broad Loom for Fancy Cassimere
Mit dem Begriff ‚Fancy Loom‘ werden solche Maschinen bezeichnet, die das Weben von Mustern und figurativen Darstellungen ermöglichen.
Der bekannteste und in allen Ländern eingesetzte Webstuhl dieser Art wurde 1836 von William Crompton in Massachusetts erfunden und in nachfolgenden Jahren patentiert.
[Texte zu den Bildtafeln – free transated by Morinda]
Über das Weben
„Ein jedes Gewebe besteht aus Zettel und Eintrag.
Zettel heissen die langen gedrehten Fäden, welche auf dem grossen Zettelhaspel und Zettelstuhle angezettelt, und sodann auf dem Weberstuhle, oder Webergerüste aufgezogen werden, davon einige in die Höhe, einige herabwechseln.
Eintrag oder Einschuß wird der Faden genennet, welcher durch Hülfe des Weberschützens zwischen dem leeren Raume der Zettel gezogen wird. Dieß Werkzeug hat die Gestalt eines Schiffgens mit zweyen spitzigen Enden, darin die Spule laufft, auf welcher der Faden zum Eintrag gewickelt ist. „
(aus: J.S. Stoy ‚Bilder-Akademie für die Jugend‘ – Nürnberg, 1784 )
Das Weben vorbereiten – Schären und Einlesen der Kettfäden
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Beim Weben werden so viele Fäden, als es zur Breites eines Zeuges gehören, parallel nebeneinander aufgespannt; sie sind so lang wie das zu webende Zeug und bilden zusammen die Kette. Rechtwinklig werden andere Fäden durch sie geführt, der Einschuß, von denen jeder abwechselnd einen oder mehrere Kettenfäden über und unter sich hat, so daß ein dichtes Geflecht entsteht.
Ehe aber dieses Durchflechten – das Weben – vorgenommen werden kann, müssen Kette und Einschuß dazu vorbereitet werden. Die Art, wie die Kettenfäden abgemessen und gelegt werden, heißt das Scheren oder Schweifen der Kette. Zunächst wird das Garn auf Spulen gewickelt, was im Kleinen auf dem Spulrade, im Großen auf Spulmaschinen geschieht, welche viele Spulen auf einmal bewegen; 20 solcher Spulen oder auch mehr steckt man nun in zwei oder auch mehr Reihen auf ein Gestell, die Scherlatte, Schweifgestell oder Kanter. […]
Es werden nun die Enden der 20 Fäden durch einen Knoten verbunden und um einen langen Stift am untern Teil des daneben stehenden Scher- oder Schweifrahmens geschlungen. Der Umfang dersselben beträgt stets mehrere Ellen, so daß, wenn er 5 Ellen ausmachte und man ein 60 Ellen langes Stück weben wollte, man den Scherrahmen nur 12mal umzudrehen hätte, um von der Spule 20 Fäden von 60 Ellen Länge abzuwickeln. Die Welle des Scherrahmens läuft in Pfannen, so daß das Ganze leicht mit der Hand oder der Rolle, Schnur und Kurbel gedreht werden kann.
Das Aufwickeln erfolgt in Spirallinien, wobei die Fäden entweder durch die Finger der Hand oder durch das Lesebrett ausgebreitet werden, damit sie sich nicht übereinander legen und ungleiche Längen herbeiführen; hauptsächlich aber, damit sie, um später Verwirrung zu vermeiden, so in zwei Teile getrennt werden, daß stets zwei benachbarte Fäden zu verschiedenen Abteilungen gehören. Dies wird dadurch erreicht, daß man z.B. die Fäden 1,3,5,7 usw. zwischen Daumen und Zeigefinger, die Fäden 2,4,6 usw. zwischen Zeige- und Mittelfinger legt, oder bequeme, daß man die Fäden in genannter Ordnung durch ein Brettchen, das sog. Lesebrett, führt, worin 20 Löcher in zwei waagerechten Reihen sind, oder auch durch 20 glatt durchbohrte Messingstifte, die in zwei Reihen und abwechselnd hintereinander stehen und von denen jede Reihe von einer rahmenartigen Umfassung besonders gehoben werden kann. damit man auch die Mühe erspart, beim Aufwinden die Fäden mit der Hand nachzuführen, bringt man die erwähnte Vorrichtung in ein Behältnis, welches an dem Pfosten mittelst einer Schnur gehoben und gesenkt werden kann. […]
[ J. Friedrich Geist & Klaus Kürvers ‚Das Berliner Mietshaus. 1740-1862.‘ – Prestel-Verlag, 1980]