Die Ameisler

Ameisler und Ameislerin

Die Ameisler  sammelten und trockneten die Puppen der Waldameisen
und verkaufte sie hernach als Vogel- oder Fischfutter, sowie als Zutat für die Herstellung von Arzneimitteln.

Die dazugehörige saisonale Tätigkeit wurde als Ameisln bezeichnet und brachten einen recht guten Gewinn ein.
Vom Frühjahr bis zum Herbst konnten Ameisenhaufen alle 2-3 Wochen abgeerntet werden.

Wenig bekannt ist über die Ursprünge des Ameiselns. Vermutet wird, dass es mit der im Mittelalter zunehmenden Käfighaltung von Singvögeln einher ging. Im deutschsprachigen Raum sind Ameisler sind als Berufsstand ab dem 17. Jahrhundert für Teile Österreichs, Bayerns und Böhmens nachgewiesen.

Bis in die 1970er Jahre konnte man sie noch in den Wäldern von Österreich antreffen. Andernorts war das Ameiseln – zum Schutz der Ameisen und zur Wahrung des ökologischen Gleichgewichts – schon früher verboten.


Berufsbezeichnungen

Ameisler und Ameislerin,   Amastrager,   Ameisensammler

Ameisler in anderen Sprachen

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Albanisch:mbledhësi i milingonave
Bulgarisch:мравки берач
Dänisch:myrer picker
Englisch:ants picker
Esperanto:formikisto
Finnisch:muurahaisen poimija
Französisch:ramasseur de fourmis
Griechisch:strong>συλλεκτής μυρμηγκιών
Isländisch:mauraval
Italienisch:raccoglitrice di formiche
Latein:quaestores aerarii formica
Niederländisch:mierenplukker
Norwegisch:maur plukker
Polnisch:zbieracz mrówek
Portugiesisch:selecionador de formigas
Rumänisch:culegător de furnici
Russisch:сборщик муравьев
Schwedisch:myrplockare
Slowakisch:výber mravcov
Slowenisch:nabiralnik mravelj
Spanisch:recolector de hormigas
Tschechisch:výběr mravenců
Türkisch:karıncalar seçici
Ungarisch:hangyaszedő

Berufsfamilie:   Waldarbeiter
moderne Spezialisierung:  Ameisenumsetzer


Zeichnung: Amastrager-Schild in einem Gasthof - 1820, AT

Wir Amastrager sind weit und breit bekannt als arbeitsame brave Leut,
Wir werden von jedermann hoch geehrt den unser Gewerb ist schätzenswert,
Und wollen wir einen guten Braten einen guten Wein,
So kehren wir bei unserer Frau Wirthin ein.

Die Arbeit der Ameisler

Zeichnung: Amastragerin und Amastrager - 1820, AT

„[…] Da kannst Du im Walde einem sonderbaren Mann begegnen. Seinem zerfahrenen Gewande nach könnte es ein Bettelmann sein, er trägt auch einen großen Sack auf dem Rücken; aber über diesem Bündel und an all seinen Gliedern, von der beflickten Beschuhung bis zum verwitterten Hut, laufen in aller Hast zahllose Ameisen auf und nieder, hin und her […]. Der Mann ist ein Ameisler. Er geht aus, um die Puppen der Ameisen zu sammeln, die er in Markt und Stadt als Futter für gefangene Vögel verkauft. Er sammelt auch die Harzkörner aus den Ameisenhaufen, um solche als den in der Bauernschaft beliebten Waldrauch, der in den Häusern besonders bei Krankheiten als Räucherungsmittel dient, oder gar als Weihrauch zu den bekannten kirchlichen Zwecken zu verwerthen. Darführ geht der Ameisler in den Nadelwald auf die Suche. […] Endlich findet er einen Ameisenhaufen, er ist zumeist an einen halbvermoderten Baumstock hingebaut und in Form eines bisweilen meterhohen Kegels aufgeschichtet aus dürren Zweiglein und Splitterchen, aus den abgefallenen braunen Nadeln der Bäume.

[…] Kaum der Mann in die Nähe kommt – sie riechen ihn, bevor sie ihn sehen – gerathen sie in eine größere Hast, sie laufen wirr durcheinander, überstürzen sich, purzeln eine über die andere hin […], so daß die Oberfläche des Haufens ganz schwarz wird und ein wildes Drängen und Wogen entsteht […]. Der Ameisler reibt seine Hände mit Terpentin oder einem anderen Oel ein, damit sie gegen die Ameisensäure gestählt sind; dann erfaßt er seine Schaufel und reißt den seit Jahren mit unsäglichem Fleiße kunstvoll aufgeführten Bau auseinander. […] er will die Puppen, und bevor diese verschleppt sind, thut er seinen Leinwandsack auf und stopft und scharrt den ganzen Ameisenhaufen mit allem, was d’rum und d’ran ist, in den Sack.

[…] Der Ameisler sucht nun einen geschützten, sonnigen Anger. Dort breitet er auf dem Rasen ein großes, weißes Tuch aus; am Saume des Tuches ringsum legt er grünes Laubwerk, über das er dann den Rand des Tuches zurückschlägt. Nun öffnet er den Sack und schüttet den ganzen Inhalt deselben mitten auf das Tuch. Einstweilen hat hernach der Ameisler nichts zu thun, er kann sich im Schatten des nahen Waldsaumes hinlegen, Brot und Speck aus dem Schnappsack holen, mag sich hernach eine Pfeife anzünden und guten Muthes sein […]. Der Ameisler schaut aus seinem Schatten dem Treiben und ‚Auslaufen‘ der Ameisen zu. Sichtlich wachsen die Häuflein der Puppen, die sie unermüdlich aus dem Wuste schleppen und am Rande abladen, wo das hingelegte Blätterwerk ist, so daß die Thiere glauben, dort schon fängt das freie Land an […]. Jetzt nimmt der Ameisler sein blechernes Becherlein und füllt es immer wieder mit den aufgehäuften gelblichweißen Puppen, um sie in den dazu bereiteten Behälter zu thun.

Viele Ameisler, die das Geschäft im Großen betreiben, pflegen die Säcke an sicheren Orten aufzubewahren, bis sie eine größere Anzahl beisammen haben, schütten sie dann mitsammen auf das Tuch und gewinnen beim ‚Auslaufen‘ an einem Tage oft an dreißig Maß Puppen. […] Hat der Ameisler die Eier [zum Trocknen] untergebracht, so macht er sich an den todten Wust, der auf dem Tuche übrig geblieben ist; aus diesem weiß er die wohlriechenden Harzkörner zu ziehen und kehrt sonach mit doppelter Beute in sein Dorf zurück […].“

[Peter Rosegger ‚Das Geschichtenbuch des Wanderers‘ Band 1. – A. Hartleben Verlag, Wien 1890]


Kopie: Erlaubnisschein fürs Ameiseln in Niederösterreich von 1953