Die Gänsehüter

illu: Gänse
1902, (c) Claude A Shepperson

Berufsbezeichnungen

Gänsehüter, Gänsemagd,  Gänseliesel,  Gänsehirt,  Gänsepeter,  Goseheier (niedersächs.)

Gänsehüter in anderen Sprachen

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Ungarisch:libapásztorlány
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Berufsfamilie:   Hirten
verwandte Berufe: Pferdehirt,  Kuhhirte,   Schäfer,   Schweinehirt,   Ziegenhirt

Gänsehüter  ist zwar kein eigentlicher Beruf, aber man brauchte sie in jener Zeit, als Gänse
im Rahmen der Gemeindehaltung eine Aufsichtsperson benötigten, die mit ihnen zum Futtern über die Wiesen zog.

Gemeindehaltung bedeutet, dass die Tiere – in diesem Fall die Gänse – der Bauern eines Dorfes oder einer Gemeinde von einer dazu bestimmten Person täglich eingesammelt, tagsüber im Freien behütet und abends zu ihrem angestammten Schlafstall zurück gebracht wurden. Meist waren es Kinder und Jugendliche, die mit dieser Aufgabe betreut wurden. Im deutschen Volksmund nannte man diese Hütekinder durch die Bank Gänseliesel und Gänsepeter. Nach der Ernte trieben sie die Gänse auf und über die Stoppelfelder (daher stammt der Beriff Stoppelgänse), wodurch ein rascheres Heranwachsen befördert wurde.

1902, (c) Claude A Shepperson

Der Goseheier

„Die komischste Figur unter den verschiedenen Hirten war früher wohl ganz gewiß der Gänsehirt oder Goseheier. Denn sich bei dem ewigen Geschnatter und Geschrei der Gänse wohlzufühlen, das war ganz gewiß nicht jedermanns Sache! Und so meldeten sich zu diesem Amte meist nur komische, ja oft ganz verdrehte Gesellen. […]
Schon gegen 6 Uhr morgens, hier und dort auch wohl ein stündchen später, nahm der Goseheier seine Flöte an die Lippen und zog lustig quinquillierend durch das Dorf. Gar bald maschierten, liefen oder flogen ihm dann von allen Seiten die Gänse entgegen, denn sie kannten ihn schon an seiner langen Stange, an welcher oben ein kleines rotes Fähnlein lustig im Wind wehte. Abends, zur Vesperzeit, kamen die „Schnatterlörke“ wieder nach Hause. Das ging so Tag für Tag, vom Frühling bis in den Herbst hinein. Oft hatten die Städte oder Dörfer eine besondere Gänseweide, die Goseriede (Hannover), wohin der Gänsehirt seine Tiere trieb. Man zog auch die Wege entlang, in den Wald, auf Brach- oder Oedland und in der Herbstzeit natürlich auf die abgeernteten Getreidefelder, damit ja kein Körnchen mutzlos umkomme! Der Gänsehirt wurde von den Bauern so mit durchgefüttert, und sein Lohn betrug nur etwa 10-12 Taler, trotz seines aufreibenden Dienstes. […]“


(Hrsg. Ernst Bock: Alte Berufe Niedersachsens. 1926)

illu: Gänse
1902, (c) Claude A Shepperson

Die Freiland-Gänsehaltung wurde besonders in Pommern, Ostfriesland, Westpreußen, Elsaß, Oberhessen, auch in Mecklenburg, Oldenburg, Schlesien, Bayern, Württemberg, dann in Böhmen, Ungarn, Polen, Rußland sowie in verschiedenen Teilen der Niederlande und Frankreichs betrieben. Nach dem 19. Jahrhunderts wurde in Deutschland die Gemeindehaltung mehr und mehr aufgegeben.

illu: Gänse
1902, (c) Claude A Shepperson

Neben Malern und Fotografen haben uns auch Bildhauer tolle Zeitzeugnisse von einfachen Leuten hinterlassen. Vom Gänseliesel und ihrem heute etwas weniger bekannten Pendat, dem Gänsepeter, gibt es wunderschöne Skulpturen – besonders als Brunnenfiguren-Motiv sind sie sehr beliebt.

Das ‚Göttinger Gänseliesel‘ soll übrigens ‚das meist geküsste Mädchen der Welt sein‘, da es Tradition ist, dass sie von frischgebackenen Doktoren nach ihrer Graduation mit einem Kuss bedacht wird.

illu: Gans

Gänsekiele, Bettfedern & Gänsebraten

„Früher wurden Gänsekiele (d.h. die Kiele der Schwungfedern) als Schreibfedern benutzt, jetzt finden sie zu andern gewerblichen Zwecken, z.B. Zigarrenspitzen, vielfache Verwendung, die Federfahnen und Daunen als Bettfedern.
Vielfach werden die jungen Gänse in der Erntezeit zum erstenmal und Ende September oder Anfang Oktober zum zweitenmal gerupft, indem man ihnen die Brust- und Bauchfedern nimmt, aber die Daunen stehen läßt und nach dem Rupfen eine Woche lang Körnerfutter gibt; jedoch beeinträchtigt das Rupfen den Fleischansatz und wird deshalb unterlassen, wenn man recht frühe Mastgänse haben will.“


[Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage, 1902–1920]

Gemälde: viele ältere Frauen mit weißen Hauben an langen Tischen beim Federnschleißen
1877, Weimar -Federnschleißen an einem Novemberabend im Luisenstift [Otto Piltz]

Zum sogenannten Federnschleißen wurde in den Dörfern oder überregional-gemeinnützigen Einrichtungen die Winterszeit genutzt. Dabei wurden die Daunen von den Gänsekielen getrennt. Im ländlichen Raum arbeiteten alle Verwandte und Freunde mit und nach getaner Arbeit gab es einen gemeinsamen Schmaus. Allgemein ging es lustig zu und mit Spaß und Neckereien klang das Federnschleißen auch aus.

Foto: flauschige Daunenfeder

Wissenswertes und Schönes

Mythologisches

„In der Mythologie tritt die Gans oft an Stelle des Schwans. Wie dieser, kündet sie den Winter an, und die St. Michaels- oder Martinsgans wird als ein Augurium des Endes der regnerischen Jahreszeit gegessen; denn sobald der Wasservogel gestorben ist, wird das goldene Ei gefunden, kommt die Sonne heraus.
Bei den Griechen war die Gans der Persephone heilig und diente als lieblicher Vogel, dessen Schönheit bewundert wurde, zu Geschenken an geliebte Knaben etc. Schon Penelope besitzt eine kleine Herde von 20 Gänsen, mehr als Schmuck für den Hof als um des Nutzens willen.
Bei den Römern war die Gans der Juno heilig, und es wurden daher in deren Tempel auf dem Kapitol Gänse unterhalten, die bei dem Einfall der Gallier unter Brennus durch ihr Geschrei die Besatzung geweckt und so die Burg gerettet haben sollen. Zu Plinius‘ Zeiten wurden große Herden von Gänsen, namentlich aus dem Gebiet der Moriner (an den heutigen belgischen Küsten), nach Italien getrieben. Besonders liebten die römischen Frauen die weichen Flaumfedern der nordischen Gans.
In China gilt die Gans als Symbol ehelicher Treue.“


[Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage, 1902–1920]


illu: Gänse
1902, (c) Claude A Shepperson

Der Gänsekrieg zu Bützow

eine Anekdote

    Ende des Jahres 1794 gab es einen Erlaß, wonach es den in der alten mecklenburgischen Stadt Bützow gehaltenen Gänse nicht mehr erlaubt war, frei auf den Straßen der Stadt umherzulaufen. Da sich jedoch kaum jemand daran hielt, setzten im Dezember 1794 erste Pfändungen ein und die dabei beschlagnahmten Gänse wurden in einen sogenannten Pfandstall gesperrt. Der Ärger der Bützower Bürger mündete nicht nur in Protest, sondern in einem regelrechten Sturm auf den Pfandstall. Unter dem Ruf ‚Es lebe die Gänsefreiheit!‘ erlebte Bützow ein kleines Revolutiönchen, während in Frankreich eine große Revolution stattfand.

    Mit der Novelle ‚Die Gänse von Bützow‘ setzte Wilhelm Raabe jenem Geschehen ein literarisches Denkmal.

    Auch in anderen Landesteilen gibt es Überlieferungen von geharnischten Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Gänsehaltung – zum Beispiel vom Gänsekrieg in der altwürttembergischen Stadt Backnang.


    Die Gänsemagd aus der Märchenwelt


      Die Gänsekönigin

      ein Volkslied

        sowie drei Verse aus 'Die Gänse-Königin'
        ‚Das Gänse-Liesel‘ [Stelzner]
        illu: Gänse
        1902, (c) Claude A Shepperson

        Schnibel, Schnabel, Schnebel, kommt der Herbst mit Nebel.
        Gänsebraten, Gänsefett, warme Federn für das Bett.
        Freu’n sich alle Kinder. Gi-ga-gack!

        Wulle, wulle Gänschen, wackelt mit dem Schwänzchen.
        Seht ihr denn nicht wer ich bin: Ich bin die Frau Königin!
        Ihr seid meine Kinder. Gi-ga-gack!

        Komm du, meine Graue, und du, meine Schlaue,
        und du, mit dem Wuschelkopf, und du, mit dem schwarzen Zopf,
        und du, Schwarzerpeter. Gi-ga-gack!

        Seht sie alle fünfe ohne Schuh‘ und Strümpfe.
        Hei, wie ist die Welt so schön, wenn die Gänse barfuß gehn,
        selbst im kalten Winter. Gi-ga-gack!


        Was geh’n den Spitz die Gänse an?

          Gänse, Küken, Hund

          Es war einmal ein kleiner Spitz, der glaubt‘ er wär‘ zu allem nütz.
          Und kam ihm Etwas in die Quer‘, da knurrt und brummt und bellt er sehr.
          Nun wackelt einst von Ungefähr Frau Gans mit ihrem Mann daher.
          Und vor den lieben Eltern wandern die Kinderchen, Eins nach dem Andern;
          Und wie sie um die Ecke biegen, da schreien alle vor Vergnügen:
          »Seht doch die Pfütze da! Kommt hin! Wie herrlich muß sich’s schwimmen d’rin!«

          Das sieht Herr Spitz und bellt sie an: »Weg da! Weg da! Nu seht doch an!
          Wie könnt ihr euch nur untersteh’n, in’s Wasser so hinein zu geh’n?
          Wenn ich nicht wär‘ dazu gelaufen, ihr müßtet jämmerlich ersaufen!«

          Das macht der alten Gans nicht bange! Sie zischt ihn an, wie eine Schlange.
          Da zieht mein Spitz sein Schwänzchen ein und läßt die Gänse Gänse sein.
          Doch knurrt er noch im vollen Lauf: »Nu, wer versaufen will, versauf!«
          Die Gänschen aber, trotz dem Spitze, sie schwelgten recht in ihrer Pfütze.
          Und immer noch aus weiter Fern‘ hört bellen man den weisen Herrn.
          – Bell‘ er soviel er bellen kann! Was geh’n den Spitz die Gänse an?

          von Robert Reinick

          Gänseliesel aus Porzellan

          gestickte Gänsehüter

              Bücher

              The Diary of a Goose Girl von Kate Douglas Wiggin, 1902