Die Austernfischer

Gemälde: Die zurückkehrenden Austerfischern werden von den Frauen abgeholt

Die Arbeit der Austernfischer.
Im Jahre 1858 hat man in Frankreich begonnen, Austern künstlich zu züchten.

Austerfischer, Austernzucht, Austern
Austern, 1907

Schiffe auf dem Meer beim Austern bergen
1850, England

Berufsbezeichnungen

Austernfischer, Austernzüchter

verwandte Berufe: Fischer


Die fiskalische Austernzucht auf Sylt.
Ober, bringen Sie uns doch mal drei Dutzend fiskalische Austern’, tönt es von einem Tisch eines vornehmen Weinrestaurants der Hauptstadt, an dem sich eine kleine Gesellschaft von Damen und Herren niedergelassen hatte.

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1912, Sylt [F. Korwan]

‘Was ist denn das nun wieder für ein Witz, Herr Regierungsrat, fiskalische Austern! Wir kennen Holländer, Helgoländer, Natives, Holsteiner …’
‘Halt,’ unterbrach der Regierungsrat, ‘die von Ihnen zuletzt erwähnten Holsteiner, das sind die von mir bestellten fiskalischen – wie sie zu dieser Benennung kommen, wollen Sie wissen? Bis der Kellner serviert, werde ich Ihnen darüber einen kleinen Vortrag halten. Also: daß unter den Austern, die an den westeuropäischen Küsten erzeugt werden, die holsteinische seit mehr als hundert Jahren wegen ihres Wohlgeschmacks weitverbreiteten Ruf hat, ist Ihnen allen ja genügend bekannt. Auch der Dänenkönig Friedrich VII., Herzog von Schleswig-Holstein, verlieh seiner Wertschätzung dieser Auster greifbaren Ausdruck, indem er 1857 die im Wattenmeer an der Westküste Schleswig-Holsteins befindlichen, etwa 60 Austernbänke als Regal in Besitz nahm. Beim Übergang der meerumschlungenen Provinz an Preußen wurden mit ihr auch die Austern in des Wortes doppelter Bedeutung dem preußischen Fiskus einverleibt. Daß wir in unserer Eigenschaft als tätige Mitglieder der Staatsregierung die alleinige Vertilgung dieser Muscheltiere, natürlich im Staatsinteresse – gern übernommen hätten, werden Sie verstehen, der leicht erregbare Neid aber unser Volksvertreter, der in diesem Falle sogar alle Parteiunterschiede verwischt, ließ das nicht zu, und so sind seit vierzig Jahren die Austernbänke der Hamburger Firma Kuhnert Söhne zwecks rationeller Bewirtschaftung und Ausbeutung verpachtet. Neuerdings wurden die in Husum angelegten Lagerbassins aufgehoben, und mit Rücksicht auf den Umstand, daß sich die besten und meisten Austernbänke bei der Ihnen durch sein herrliches Nordseebad bekannten Insel Sylt befinden, veranlaßte unsere Regierung, auf der Nordspitze dieser Insel, dem malerischen und in seinen natürlichen Meeresverhältnissen dazu wie geschaffenen Lift mit bedeutendem Kostenaufwand Bauten und Anlagen zur Aufzucht der Austern zu errichten – ein im großen Maßstab angelegter Austernpark, der, unter ständiger Aufsicht der Regierung stehend, teils als Lagerbassin dient, zugleich aber den Zweck hat, die junge Brut großzuziehen, zu mästen und vor den Angriffen ihrer vielen unterseelichen Feinden zu schützen! So überstimmt der Staat gewissermaßen die Garantie für Güte und Beschaffenheit dieser seiner ‘fiskalischen ‘ Auster. Übrigens bringt der Kellner da schon die erste Platte.’ – Würziger, salziger Nordseeduft entströmt erfrischend den weißen Muscheln, in denen die leckeren, cremefarbigen Meereslieblinge dem Hinunterschlürfen lüsterner Kehlen entgegenharren.

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1912, Sylt [F. Korwan]

‘Da Sie, verehrter Regierungsrat, nun doch mal den vortragenden Rat heute markieren, so könnten Sie uns sicher auch einiges über das Leben der Auster und ihre Kultur erzählen.’
‘Mit Vergnügen, meine Gnädigste; als Dezernent der Domänenverwaltung in Schleswig bildet die zu meinem Ressort gehörende Austernfischerei den genußreichsten Teil meiner Obliegenheiten. Steigen Sie also im Geiste nun mit mir hinab in die Tiefen des Meeres; da liegt eine schöne, große Auster und gibt sich der angenehmen Tätigkeit des Eierlegens hin – eine ordentliche Austernmutter legt davon während der von Mitte Mai bis etwa Ende August dauernden Laichzeit etwa eine Million…’
‘Unmöglich! Wo bleiben denn alle und warum sind sie so teuer, wenn es so viele gibt?’
‘O, das ist noch gar nichts, mit Neid blickt unsere deutsche Austernmama auf ihre amerikanischen Schwestern, von denen es einige auf die respektable Zahl von 16 Millionen Eiern bringen. Wenn jene Austern auch nur einmal Brut absetzten, so würde, wie einmal berechnet ist, die Zahl der Nachkommen so groß sein, daß sie eine Masse von mehr als acht Erdkugeln bildeten. Gott sei Dank und leider Gottes gehen aber auf jede unserer Austern, die auf den Tisch kommt, etwa anderthalb Millionen Schwärmlinge, wie die junge Brut heißt, zugrunde. Um diese Bedingungen zu verbessern, bleibt die junge deutsche Auster, im Gegensatz zur amerikanischen, bis zur Reise in sicherer Obhut, und zwar – verzeihen Sie das harte Wort – im Bart ihrer Mutter. Dann aber schwärmt sie wie die Bienen, gibt sich der Liebe hin und sucht dann ein ruhiges, möglichst körniges oder mit Muscheln bedecktes Plätzchen am Meeresgrunde, wo sie ihre Zelt auf- und ihre Muschel zuklappen kann; gerät sie hierbei aber auf schlickigen Grund, so verfehlt sie – und das ist eben bei der größten Mehrzahl der Fall – ihren Beruf und stirbt ab. Ebbe und Flut sorgen den Überlebenden für Nahrungszufuhr aus dem Meer, in dem sie mit einem 3 v.H. (?) betragenden Salzgehalt vollkommen zufrieden sind. Darum meidet sie auch die salzarme flut- und ebbelose Ostsee und ist mit seinen von allen versuchten Mittel zu bewegen gewesen, sich darin anzusiedeln. Streng hält sie darauf, daß die Wassertemperatur stets zwischen 20 Grad Celsius und -2 Grad Kälte schwankt, und der Frost ist ihr Tod.’

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1912, Sylt [F. Korwan]

‘Hat man denn, Herr Regierungsrat, nirgends versucht, diese ungeheure Nachkommenschaft dem Leben zu erhalten und der Menschheit dienstbar zu machen?’

‘Aber gewiß hat man das, doch, so groß der Erfolg bei der Kultivierung der jungen Auster ist, so gering ist er stets da gewesen, wo man die zur künstlichen Aufzucht nötigen wollte.
So werden in Frankreich, bei Marennes und La Tremblande, schon seit dem sechzehnten Jahrhundert einjährige Austern von natürlichen Bänken in Teiche versetzt, um sie zu mästen. Dorther kommen die vielgerühmten, sogenannten grünen Austern. In Whitstable, wo die Native, die Krone der Austern, gezogen werden, besteht schon seit 6-700 Jahren eine Austerngilde, und England beschäftigt Tausende von Menschen bei der Austernwirtschaft. Schon 1870 wurden dort 960 Millionen Austern mit einem Wert von 1 Millionen Pfund Sterling verkauft. Leider kommen die berühmten Natives selten nach dem Kontinent, denn was wir in Deutschland als englische Auster essen, sind geringere Sorten, die von Ostende kommen, wohin sie in dortige Lagerbassins exportiert werden. Infolge ähnlicher Naturverhältnisse ist die holländische unserer Holsteiner nah verwandt und auch verschwägert, und Amerika produziert so ungeheure Mengen, daß sie als Volksnahrung dienen. Überall sind jetzt schon künstliche Austerngärten angelegt, die Kulturen stehen in hoher Blüte, so weit sie sich auf vorsichtige Verbesserung der Wohnstätten, Bekämpfung der Feinde und der Krankheiten durch Reinheiten derselben beschränken und Veredlung anstreben. denn ängstlich geht die Auster jeder Änderung ihrer Wohnstätten und vieltausendjährigen Lebensgewohnheiten aus dem Wege. Je näher die Austernparke den natürlichen Bänken liegen, desto mehrversprechend ist der Erfolg. Kann wegen der geringen Zahl unserer Bänke die holsteinische auch nicht entfernt mit der Produktivität der andern Länder es aufnehmen, so wetteifert sie in hohem Maße mit den besten existierenden Sorten hinsichtlich der Zartheit und des Wohlgeschmacks und ist in sanitärer Hinsicht unübertroffen. Frei von allen schädlichen Stoffen, ohne die Nähe von Flüssen mit Brackwasser und Abwässern, die an manchen Orten kostspielige Vorkehrungen zur Verhinderung von Krankheiten erfordern, bespült die klare Nordsee, besonders bei dem vorgelagerten Sylt, seit undenklichen Zeiten die Austernbänke. Solch eine Sylter Auster, frisch aus dem Bassin oder der See, ist etwas Wundervolles an Zartheit und nußartigem Geschmack.’

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1912, Sylt [F. Korwan]

‘Ja kann man denn das da oben haben?’
‘Jetzt wohl, früher mußte man schon, wie ich als Regierungsvertreter oft, mit den Austernfischern hinausfahren, um dieses Genusses leibhaftig zu werden. Ich habe erst jüngst eine solche Tour gemacht und will Ihnen gerne schildern, wie es da zugeht. Bei Tagesgrauen, denn die Fischer sind früh auf den Beinen, zieht die Austernflottille hinaus, voran der Dampfer mit dem überaus schönen Namen G e l b s t e r n.
Hier und da wird mit dem Peilstock der Meeresgrund geprüft, und endlich, nach mehrstündiger Fahrt, sind wir bei der Huntje Bank angelangt. Wie in Parade ziehen die Segler auf, der Dampfer übernimmt die Führung, und schon ertönt auf ihm das Kommando des Kapitäns. Rasselnd laufen die am Heck des Dampfers befindlichen vier Schleppnetze in das aufspritzende Wasser, straff spannen sich die Drahtseile, und fauchend und prustend zieht er seine Netze hinter sich her. Faßt man an das Tau, so merkt man an der rollenden Bewegung, ob das Netz über Austern streicht.

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1912, Sylt [F. Korwan]

Auch die Kutter haben an der Luvseite ihre Netze ausgeworfen, um dem Meere die köstliche Beute zu rauben. Furchtbar einfach, solch ein Schleppnetz: ein eisener Rahmen, an dem ein flaches breites Eisen die Austern von den Bänken herunter, wo sie nicht etwa angewachsen sind, sondern lose liegen, in dem am Rahmen befestigten, aus eisernen Ringen bestehenden Beutel hineinkratzt. Nach fünf bis zehn Minuten werden die Netze hochgezogen und der Inhalt auf Deck geschüttet.

Aber was kommt da alles zutage! Aus dicken, grauen Meeresschlick, durchsetzt mit langblättrigen, klitschigen Algen, Seemoos und Seegras, recken große Seesterne ihre langen Fühler in die Luft, Seespinnen in allen Größen suchen in komischer Seitwärtsbewegung eilig das Weite, Einsiedlerkrebse bewegen ihre kleinen Zangen und Scheren hin und her, platte Schollen, stachlige Seeigel und runde Seerosen rollen und wälzen sich und kollern über Deck. Aber dazwischen liegt ruhig und stolz die königliche Auster, verächtlich das ängstliche pleijbeische Gekribbel und Gekrabbel ihrer mitgefangenen Feinde nichtachtend. Inzwischen ist es Mittag geworden und der Kapitän Rinten trottet zu mir, um bei einer Flasche Mosel das Ergebnis des Fanges zu besprechen und mir einige Proben der Qualität vorzuführen, nachdem er sich zuvor ordentlich mit Seewasser abgespült, denn er sah doll aus. […]
(Auszug: F. Korwan, 1912)


Arbeitsschritte

Austern, Austernzucht, Frankreich
Sortieren der Austern – Frankreich


Büchertipps

  • Karl Moebius: Die Auster und die Austernwirthschaft, 1877
Sammelbild, Austernfischer, Austernbank, Austern
[Liebig]