Der Waldbienenzüchter

Farbfoto: bunte Bienenstöcke am Waldrand

Zu Besuch beim Waldbienenzüchter Stanisław Ostrowski in Chartow / Polen.

 

Wie es begann…

Porträt: älterer Mann mit Brille und kurzen HaarenAls der polnische Künstler und Physiker Stanisław Ostrowski vor ungefähr vier Jahren zwei Bienenstöcke von einem Bekannten aus Ostpolen geschenkt bekam, stand er noch ganz am Anfang seiner Bienenzüchterfahrung. Ein geeignetes Grundstück in der Woidwodschaft Lebus, umgeben von viel Wald, hatte er ja schon. Den Rest zur Aufzucht der Bienen würde er sich schon beibringen. Zur Not würde er seinen Bekannten anrufen oder sich mit einigen der vielen Imkern aus der Gegend austauschen. Obwohl die auch oft recht eigen sind und jeder meint, die beste Anleitung zur Bienenzucht zu besitzen; manches von ihrem Wissen behalten sie aber auch für sich, quasi als  ‚Betriebsgeheimnis‘.

Mann gestikuliertDeshalb blieb es nicht aus, dass auch Stanisław einige Fehler und Ungeschicklichkeiten im Umgang mit den Bienen unterliefen; aber daraus lernte er natürlich. So hatte er sogar einmal aus Versehen eine Bienenkönigin getötet und musste sich Rat holen, wie das Volk ohne Oberhaupt zu retten sei. Der Tipp kam dann prompt von einem seiner Kollegen: Er solle ein Rähmchen mit Larven, bei denen auch eine Königinnenlarve dabei sei  (diese erkennt man gut an ihrer umfangreicheren Größe)  aus einem anderen Bienenstock nehmen und in den verwaisten Stock setzen. Und siehe da, es hat funktioniert.

Für die Aufzucht der fleißigen Insekten benötigt man Unterkünfte mit entsprechender ‚Inneneinrichtung‘, Werkzeuge, Schutzkleidung, Geräte zum Honigherstellen und allerlei kleineres Zubehör. Und  last but not least  Zeit, Geduld und Spucke; letztere zum Abmildern der – trotz aller Vorsicht – unvermeidlichen Stiche.

Die Arbeitsbienen legen die Waben für die Larven der Königin an. Diese legt dann ihre Eier ab und verschwindet manchmal sofort aus dem Bienenstock. Manchmal bleibt sie auch bis die Bienen geschlüpft sind. Das hängt von vielen Faktoren ab. Zum Beispiel von der Temperatur, dem Wetter oder auch von dem Platz oder dem CO²-Gehalt im Stock. Bei ihrem ersten Ausflug merken sich die jungen Bienen ihr Bienenhaus und die Umgebung sehr genau, um wieder dorthin zurückzufinden. In der Regel entfernen sie sich selten weiter als 2 km von ihrem Bienenhaus.

Bienenvölker teilen sich

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Während unseres Besuches teilten sich gleich zwei Bienenvölker innerhalb von zwei Tagen.
Sie schwärmen dann aus und hängen wie eine riesige summende Traube in der Luft oder im Baum. Die Kunst des Imkers ist es sodann, den Schwarm rechtzeitig mit einer Kiste einzufangen, ehe er sich aus dem Staub macht – das gelingt leider nicht immer. Am besten ist es, wenn die Bienen im Frühjahr ausschwärmen, zu der Zeit, wo alles in der Natur grünt und blüht. So können sie viel Nektar und Pollen sammeln und ein großes, starkes Volk werden. Schwärmen sie hingegen erst im Spätsommer aus, bleiben sie in geringerer Anzahl und werden weniger kräftig betreffs ihrer Konstitution.

Vorbereitung für den Umzug

Da die Völker erst am Abend umgesiedelt werden können, müssen sie bis dahin im Kasten verweilen, der zwischenzeitlich in einem kühlen Raum deponiert wird.
Während dessen wird der neue Stock vorbereitet, d.h. ins neue Heim müssen frische Rähmchen eingehangen werden. Dazu werden Drähte gespannt, die mit einem speziellen Werkzeug aufgeraut werden, damit die Wachsplatten besseren Halt finden. Der Imker hat man die Möglichkeit, den Bienen Zeit zu lassen, sich ihre Platte selbst aus Wachs ‚auszuschwitzen‘ und anzulegen. Allerdings werden sie dann weniger Zeit und Energie haben, Honig zu produzieren. Deshalb wird häufiger auf bereits vorgestanzte Wachsplatten zurückgegriffen, damit die Bienen schneller und mehr Honig produzieren.

Damit den Bienen nicht alles fremd im neuen Heim vorkommt, macht es Sinn, zwischen den neuen auch ein altes Rähmchen einzusetzen. Am besten ist es, wenn sich in diesem schon Larven eingenistet haben. Auf diese Weise wird bei den Fürsorgerbienen der mütterliche Impuls geweckt, sich um die Bienenbabies zu kümmern.

Dennoch kommt es bisweilen vor, dass das neu entstandene Volk keine Lust auf die neue Behausung hat und nicht einzieht.

Das neue Heim

Auch wir dürfen uns Imkerschutzkleidung anziehen und ein wenig beim Umzug zusehen. Allerdings werden sie erst im Laufe des nächsten Tages ihre dreistöckige Bleibe für sich akzeptiert haben. Als wir Stanisław fragen, wie oft er von seinen Bienen gestochen wird, antwortet er lächelnd: 4 bis 5 mal die Woche … und, wenn er direkt mit den Bienen arbeite, könne es auch schon 5 bis 20 mal am Tag sein. Aber er spüre es nicht mehr so doll. Letztes Jahr sei es in der Gegend allerdings zu einem tödlichen Bienenunfall gekommen. Ein alter Imker wollte ungeschützt einen Bienenschwarm einfangen, der sich an den Ästen eines Baumes versammelt hatte. Ein Ast brach ab und die Bienen fielen auf ihn herab; er wurde so viele Male gestochen, dass er diese Attacke bedauerlicherweise nicht überlebt hat. Bei aller Erfahrung und Abhärtung, sollte man nie leichtsinnig zwischen den Bienen hantieren … und schon gar nicht ohne Schutz.

Die Verkostung

Darauf müssen wir erst mal einen hochprozentigen Propolisschnaps trinken. Stanisław holt eine Flasche mit einer goldfarbenen Flüssigkeit aus dem Haus. Propolis – eine harzartige Masse mit antibiotischer, antiviraler und antimykotischer Wirkung, welche die Bienen von den Knospen der Laubbäume sammeln, um damit das Innere ihres Bienenstocks auszukleiden – gelöst in 90%igem Spiritus. Ein kleiner Schluck davon in ein Glas, mit etwas Wasser verdünnt und wie von Zauberhand färbt sich das Getränk milchig weiß. Ich probiere ein Schlückchen und es schüttelt mich.  »Austrinken!«  fordert mich Stanisław bestimmt auf.  »Das ist nicht zum Genießen, das ist Medizin.«  Für mich schmeckt es eher nach Badewasser mit Nadelwaldaroma – nun ja, Medizin schmeckt halt selten besonders lecker! Diese ist jedenfalls extrem gesund und  ein natürliches Heilmittel gegen entzündliche Erkrankungen. Man kann sie sowohl trinken,  als auch zum Gurgeln oder Einreiben der Haut benutzen.

Die eiweißreichen Pollen, die wir als nächstes kosten dürfen, sind dagegen erheblich wohlschmeckender. Es ist eine Mischung aus bunten Kügelchen – ein gutes Zeichen, meint der Waldbienenzüchter, denn es zeuge davon, dass die Bienen vielfältiges Futter in den Blüten der Umgebung vorfinden.

Die absolute Krönung der Verkostung ist das sog. ‚Gelée Royal‘.
Es befindet sich – ganz frisch – in einer aufgebrochenen Wabe, inklusive Larve – also die einer zukünftigen Bienenkönigin. Denn nur die Larven, die ausschließlich Gelée Royal gefüttert bekommen, wachsen zu einer Königin heran – in der Regel eine pro Bienenstock. Mitunter wachsen aber auch mehrere heran. Dann findet entweder eine Selektion innerhalb des Volkes statt (d.h. die überzähligen Königinnenlarven werden getötet) oder es ist die Aufgabe des Imkers, nur eine im Bienenstock zu belassen.
Doch zurück zum ‚königlichen‘ Gelée:  es ist cremig und schmeckt nach Zitrone mit einem Hauch Vanille
– ein wirklich sehr exzellenter Geschmack.

Mittlerweile sind es 18 Bienenvölker, die Stanisław betreut und die sich alle auf natürliche Weise vermehrt haben. Jedes seiner Bienenvölkchen habe so seine Eigenart, verrät uns der Waldbienenzüchter. Es gibt friedlichere Völker, launische, aggressive und auch abenteuerlustige.

Im Frühjahr wird es Zeit, den Honig aus den Waben zu holen und zu schleudern. Wenn man Honig gewinnen möchte, macht es keinen Sinn, den Honig überwintern zu lassen. Er wird dann steinhart und kann nicht mehr als Honig verarbeitet werden. Außerdem animiert es die Bienen zum Ausschwärmen, wenn die Waben vom Imker geleert wurden.
Viele Kunden bevorzugen aus ästhetischen und praktischen Gründen klaren, flüssigen Honig. Doch selbst der reine Akazienhonig, der am längsten flüssig bleibt, tut dies nicht länger als maximal zwei Jahre. In der Regel kristallisiert guter Honig nach ein paar Tagen oder Wochen. Darüber sollte man sich nicht grämen, schließlich sind dann noch alle guten Nährstoffe und Vitamine des Honigs enthalten, im Gegensatz zu industriell behandelt und erhitztem Honig.

Pro Jahr gewinnt Stanisław derzeit um die 150 kg Honig. Ein Drittel verschenkt er innerhalb der Familie und an seine Freunde, der übrige geht in den Verkauf. Dennoch wird das Imkern bis auf weiteres nur eines seiner Hobbies bleiben.

Zum Schluss unseres Interviews trinken wir gemeinsam noch ein Gläschen Honigwein,
ehe wir uns an den Kamin zurückziehen.

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hübsches HolzhausÜbrigens kann man Stanisław und seine Frau Marzenna auch besuchen und vor Ort in einem der zwei märchenhaften Ferienhäuser übernachten.

Metallschild mit NamenZu finden unter:
Agroturystyka u Ostrowskich
in Chartow – ca. 20 km entfernt
vom Ort Kostrzyn nad Odrą.

 

 


Mai 2018
Text & Fotos:
  Sulamith Sallmann

Video & Interview:    Enkidu rankX