Die Seidenzüchter betreiben Seidenbau (auch SERIKULTUR genannt).
Neben der Aufzucht von Seidenraupen, welche den Rohfaden liefern, gehört dazu auch
die Anpflanzung und Pflege der Maulbeerbäume, deren Blätter den Raupen als Nahrung dienen.
Der Ursprung der Seidengewinnung liegt etwa im 3. Jahrtausend v. Chr. in der alten Indus-Zivilisation und in China. Für den Seidenbau im Indus-Gebiet wurde (gemäß archäologischer Befunde) der Seidenspinner der Gattung ‚Antheraea‘ eingesetzt, womit die sogenannte ‚Wilde Seide‘ erzeugt wurde. Die klassisch ‚Chinesische Seide‘ hingegen stammte einzig von dem domestizierten Seidenspinner ‚Bombyx mori‘.
Seidenbau in China im 13. Jahrhundert [Liang Kai]
Den Chinesen war es bei Todesstrafe verboten, die Raupen oder ihre Eier außer Landes zu bringen. Um das Jahr 555 herum gelang es jedoch angeblich zwei persischen Mönchen, einige Eier zum oströmischen Kaiser Justinian I. nach Konstantinopel zu schmuggeln. Mit diesen Eiern und dem Wissen, welches sie bei ihrem Aufenthalt in China über die Aufzucht von Seidenspinnern erworben hatten, wurde es alsdann möglich, auch außerhalb von China Seide herzustellen.
Berufsbezeichnungen
Seidenzüchter und Seidenzüchterin, Seidenbauer, Seideraupenzüchter, Seidenfabrikant
Seidenzüchter in anderen Sprachen
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Bulgarisch: | производител на коприна |
Chinesisch: | 絲綢育種 |
Dänisch: | silke landmand |
Englisch: | silk grower |
Esperanto: | silkaĵisto |
Französisch: | fermier de soie |
Griechisch: | μετάξι κτηνοτρόφοι |
Indisch: | रेशम प्रजनक |
Italienisch: | coltivatore di seta |
Japanisch: | 絹の栽培者 |
Lateinisch: | sericum faciunt |
Niederländisch: | zijden kweker |
Polnisch: | hodowca jedwabników, hodowcom jedwabników |
Portugiesisch: | cultivador de seda |
Rumänisch: | cultivator de mătase |
Russisch: | производитель шелка |
Slowakisch: | pestovateľ hodvábu |
Slowenisch: | pridelovalec svile |
Spanisch: | granjero de seda |
Tschechisch: | pěstitel hedvábí |
Türkisch: | ipekçi |
Ungarisch: | selyemtermelő |
verwandte Berufe: Seidenhändler, Seidenweber, Seidenfärber, Seidensticker
Seidenspinnerraupen
Seidenzüchter bei der Arbeit
Seidenzucht im 16.Jh.
Seidenzucht im 17.Jh.
1695 – ‘Nutztierhaltung: Seidenraupen’ [Wolf Helmhardt von Hohberg]
Seidenzucht im 18.Jh.
Seidenzucht im 19.Jh.
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Seidenzucht im 20.Jh.
‘Liebig‘ Sammelbild-Serie von 1937
DIE SEIDENRAUPENZUCHT
1. Oberitalienische Raupenzucht
Von China, wo die Seidenraupenzucht schon vor mehr als 3000 Jahren betrieben wurde, breitete sie sich aus nach Japan, Indien, Zentral-Asien, dann um das Jahr 550 nach Konstantinopel und im 12. Jahrhundert nach Italien. In Frankreich nahm sie im 17. Jahrhundert einen großen Aufschwung und gelangte von dort nach Deutschland. Hier konnte die Seidenraupenzucht vorerst noch nicht richtig Fuß fassen; erst neuerliche wissenschaftliche Verfahren brachten sie sowohl in Deutshland als auch in Ungarn zur Entwicklung.
Da sich die Seidenraupe (Bombyx mori) ausschließlich von Blättern des Maulbeerbaumes ernährt, ist neben der eigentlichen Raupenzucht die Anlage einer Maulbeerbaum-Pflanzung erforderlich, die sorgfältiger Pflege bedarf.
Das Bild zeigt einen der in Oberitalien häufig anzutreffenden Bauernhöfe. Hier nimmt die Seidenraupenzucht neben der Landwirtschaft einen hervorragenden Platz ein. In der Mitte ist das Raupenhaus zu sehen und im Vordergrund eine Maulbeerbaum-Anlage. Wenn die Maulbeerbäume nicht, wie in diesem Falle, Baumgärten bilden, so umrahmen sie die Felder. An der Seitenwand des Raupenhauses ist eine offene Überdachung angebracht, unter der die durch Regen oder Tau feucht gewordenen Blätter trocknen, bevor sie als Nahrung dienen können. Nasse Fütterung würde den Tod der Raupen bedeuten.
2. Zuchtraum
Die Fenster des Raupenhauses sind mit Rolläden versehen, weil die Raupen unter direkter Einwirkung von Sonnenstrahlen erkranken würden. Das Haus muß wegen der kalten Nächte auch heizbar sein, denn plötzliche Temperaturschwankungen wirken tödlich auf die Raupen. Daher werden diese empfindlichen Tierchen stets in geschlossenen Räumen, niemals im Freien gezüchtet.
Das Bild zeigt einen saubere und gut durchlüfteten Zuchtraum, in dem die Raupen dreimal täglich frisches Futter erhalten. Im obersten Fach des Gestelles sieht man ziehharmonikaähnlich gefaltene, rauhe Pappen, an deren Winkel sich die Raupen einspinnen, wodurch dann die Seidenkokons entstehen. Ganz im Vordergrund ragt die Ecke eines Tisches in die Bildfläche hinein, auf der eine Menge Seidenraupeneier liegen. Diese im vergangenen Jahr von einem Schmetterling nach dem Verlassen seiner Puppe gelegten Eier werden im Frühling, wenn das Laub hervorsprießt, in den im Hintergrund sichtbaren Brutschrank gelegt. Hier bleiben die Eier ungefähr 14 Tage lang bei einer von 18 bis 23 Grad Celsius stufenweise ansteigenden Temperatur dann schlüpfen die Jungtiere aus.
3. Seidenraupen in drei Entwicklungsstufen
Auf diese Bildchen sind 3 Entwicklungsstufen der Seidenraupe dargestellt. Unten sind die im Brutschrank zur Reife gebrachten Eier zu sehen. aus denen die stark vergrößerten Tierchen hervorkriechen. Ein Gramm Eier ergibt 1000 Raupen, die 30 Kilo Blätter verzehren, bevor sie sich einspinnen. Die auskriechenden Räupchen sind dunkelgefärbt und erreichen sehr bald eine Länge von 5 mm. Sie fressen mit Vorliebe junge Blätter, die aneinandergereiht werden. Nach einigen Tagen wird jedoch diese Fütterung eingestellt und eine neue aufgenommen; wenn eine Lage Blätter verzehrt ist, wird über die Raupen ein durchlöcherter Papierbogen gelegt, auf dem sich frische Nahrung befindet. Die Raupen riechen das frische Laub, kriechen durch die Löcher in das höhere Stockwerk und ermöglichen so die Entfernung der Blattreste sowie der Tierausscheidungen ohne Störung der Tiere (siehe obere Bildhälfte). Auf diese Weise erfolgt die Ernährung während 5 bis 6 Wochen. In der Zeit findet viermal eine 24stündige Unterbrechung der Nahrungsaufnahme statt, wobei sich die Raupen jedesmal häuten. Im ausgewachsenen Zustand beträgt ihre Länge 7 cm.
4. Einspinnen der Raupe, Entstehung des Kokons
Nach der vierten Häutung werden die Raupen von einem wahren Freßfieber erfaßt, das ungefähr 8 Tage andauert; während dieser Zeit hat der Züchter alle Mühe,um die erforderlichen Nahrungsmengen herbeizuschaffen. Nähert sich die Raupe der Spinnreife, so wird sie immer durchsichtiger. Ihre Drüsen füllen sich mehr und mehr mit der Flüssigkeit, die an der Luft erhärtet und zum Seidenfaden wird. Ihre Spinnlust verraten die Raupen durch Heben und unablässiges Schaukeln des Oberkörpers. Sie befestigen ihre Fäden in einem Winkel der Pappgestelle und umgeben sich vollständig mit einer Hülle aus dünnen Seidenfäden (Kokon). In dieser Gespinnsthülle entwickelt sich die Raupe zur Puppe und nach 2-3 Wochen hat sich daraus der Schmetterling gebildet. Der Züchter bricht den Entwicklungsgang der Raupe aber schon ab, wenn sie zur Puppe umgebildet ist, indem er die Kokons einer hohen Temperatur aussetzt (60-70 Grad) und so die Puppe tötet. Dadurch ergibt der Kokon einen ununterbrochenen Seidenfaden. Im anderen Falle, wenn sich der Schmetterling voll entwickeln könnte, würde er die Gespinnsthülle beim Ausschlüpfen durchbrechen und so den Kokon für für die Seidenfabrikation entwerten.
Aus technischen Gründen ist es unbedingt erforderlich, da eine große Anzahl Rauen gleichzeitig mit dem Spinnen der Kokons beginnen. Dies bedingt einen genau berechneten Entwicklungsgang vom Ei bis zur ausgewachsenen Raupe. Mit den modernen hygienischen Einrichtungen ist eine absolute Gleichmäßigkeit gegeben.
5. Geschlossene und geöffnete Kokons, Schmetterlingsweibchen und Raupenkopf
Die Seidenraupe gehört zu den Insekten, die eine vollständige Umwandlung durchmachen:
Ei – Raupe – Puppe – Schmetterling.
Auf dem Bild ist unten ein eilegendes Weibchen zu sehen, das weder fliegen noch fressen kann; es legt nach dem Verlassen des Kokons seine Eier ab und stirbt dann. Daneben ist ein stark vergrößerter Raupenkopf abgebildet, an dem sich die feine Spinnwarze befindet, aus der der Seidenfaden hervorquillt.
Die Bildmitte zeigt einen geöffneten Kokon mit der lebenden Puppe, die sich zum Schmetterling entwickelt, sowie einen ebenfalls offenen Kokon mit einer getöteten, ausgetrockneten Puppe. Der in der gleichen Reihe links abgebildete Kokon ist vom Schmetterling mit einem scharfen Saft aus dem Munde aufgeweicht worden, sodaß das eingeschlossene Tier seine Hülle durchbohren konnte. Handelt es sich dabei um ein Weibchen, dann macht es den durch das Zerreißen des Kokons angerichteten Schaden wieder gut, indem es seine Eier legt.
Die ersten drei der in der oberen Reihe gezeigten Kokons sind normale, die aber nach Größe un Güte verschieden zu bewerten sind. Der letzte ist ein Doppelkokon, der dadurch entstanden ist, daß zwei Raupen ihre Fäden verflochten haben; er kann nicht abgehaspelt werden. Der normale Kokon liefert einen 300 bis 500 m langen Seidenfaden; jedoch gewisse Arten erzeugen Fäden bis 1000 m Länge. Es gibt weiße, gelbe und zartgrüne Kokons.
6. Säubern und Abhaspeln der Kokons und Aufzwirnen der Seide
Der Bestand einer Seidenraupenfarm macht es erforderlich, daß sich ein Teil der eingesponnenen Raupen bis zum Schmetterling fortentwickeln, damit Weibchen ihre Eier legen können. die hierdurch zerstörten Kokons sind natürlich, ebenso wie Doppelkokons, für die Seidenfabrikation nicht zu verwenden; sie werden mit sonstigen Fadenabrissen zerschnitten, gekämmt und dienen alsdann zur Herstellung von Bändern und Nähseide.
Die unversehrten Kokons werden nach Größe und Farbe sortiert, dann in warmem Wasser ausgewaschen, damit sich der die Fäden zusammenhaltende Klebstoff auflöst. Nun wird die Oberfläche der Kokons durch eine sich drehende Bürste abgetastet und so die Fäden ausgefangen. Links auf dem Bilde ist die rechtwinklig gehobene Bürste mit daranhängenden Kokons zu sehen. Mit dem rechts gezeigten Vorrichtungen werden alsdann mehrere Kokons zugleich abgehaspelt, die so gewonnene Seide getrocknet (siehe über den Abhaspelmaschinen) und danach auf den oben links dargestelltem Spulen verzwirnt.
Die Seidenzucht in Niedersachsen
„Wie in anderen Gegenden Deutschlands, so war man auch bei uns in Niedersachsen im achtzehnten Jahrhundert auf den Gedanken, Seidenzucht zu treiben.
In Herrenhausen bei Hannover, in Celle, Coldingen, Pattensen und anderen Orten pflanzte man zunächst in größeren Mengen Maulbeerbäume, mit deren Blättern man die Raupen des chinesischen Seidenspinners füttern konnte. Die zahlreichen Eier der Seidenspinner wurden während des Winters in besonderen Kühlräumen aufbewahrt. Im Frühling aber, sobald die Maulbeerbäume ausschlugen, brachte man die Eier in Brutzimmer, deren Temperatur von 0 Grad allmählich bis auf etwa 25 Grad gebracht wurde. Nach zwei Wochen waren die jungen Raupen ausgekrochen, die nun mit Maulbeerblättern aufgehoben und im eigentlichen Aufzuchtsraume auf sogenannte Hürden gelegt wurden. Diese Räume und alle ihre Gegenstände mußten stets recht sauber gehalten werden, um Krankheiten unter den Raupen vorzubeugen. Abgesehen von den Häutungsperioden mußte alle zwei bis drei Stunden gefüttert werden mit Maulbeerblättern, die weder durch regen noch durch Tau feucht sein durften, sonst hatte man ein größeres Sterben unter den Raupen zu befürchten.
Nach der ersten Häutung wurden täglich die ‚Betten‘ gewechselt, das heißt, die Lager mußten von Blattresten und Kot gereinigt werden, dies geschah mit Netzen oder durchlöchertem Papier. Der Kot fand früher in der Färberei Verwertung. Nach einem Monate waren die Raupen ausgewachsen. Nun bereitete man ihnen ‚Spinnhütten‘ aus losen, zwischen zwei Hürden aufgerichteten Bündeln von trockenem Stroh oder Reisig. Nachdem sich alle Raupen in den Spinnhütten eingesponnen hatten, nahm man diese auseinander, sammelte die Kokons und brachte sie in besondere Öfen, in welchen die Puppen durch heiße Dämpfe oder Luft von 60 Grad getötet wurden. Nun wurden die Kokons in heißem Wasser entleimt, wieder getrocknet und dann abgehaspelt. Die Länge der Fäden war ganz verschieden; denn während manche Fäden von 100 Meter Länge liefern, sind andere sogar bis zu 300 der mehr Meter lang.
In Spinnereien und Webereien wurde die Seide dann weiter verarbeitet, und zahlreiche Leute hatten auf diese Weise ihren Lebensunterhalt. Besondere Förderung erfuhr die Seidenkultur bei uns in Niedersachsen besonders durch die Landwirtschaftsgesellschaft in Celle und durch das Hannoversche Kammerkollegium.
Aber den erhofften Aufschwung fand die Seidenzucht bei uns trotzdem nicht. das kam einmal daher, daß die Aufzucht der Raupen schwierig war. Etwas Unaufmerksamkeit brauchte nur vorzuliegen, und bald brachen allerlei Krankheiten aus, wie z.B. Körperchenkrankheit, Schlafsucht, Fett- oder Gelbsucht, Schwindsucht usw. dann waren ganze ‚Zuchten‘ vernichtet, womit natürlich allerlei Geldwerte verloren gingen.
Ferner wirkten auch die unruhigen Kriegszeiten zu Ausgang des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts lähmend auf die Seidenindustrie ein.
Allmählich schlief die Seidenkultur wieder ganz ein. Nur hier und dort erinnern noch einzelne Maulbeerbäume, Gebäude oder Flurbezeichnungen an jene interessante Zeit.„
[Quelle: Ernst Bock ‚Alte Berufe Niedersachsens‘ – 1926
Seidenraupen und Seidenzucht [Brockhaus, 1896]
1. Maulbeerbaum (Marus alba), Futterpflanze des Seidenspinners
2. Eierlegender Schmetterling
3. Eben ausgeschlüpftes Räupchen
4.+ 5. Raupen in verschiedenen Entwicklungsstadien
6. Erwachsene Raupe
7. Cocon zwischen Blättern
8. Ausschlüpfender Schmetterling
9. Männlicher Seidenspinner
10. Weiblicher Seidenspinner
11. Teil der sog. Spinnhütte mit verschiedenen Cocons
12. Gelbspinner
13. Weißspinner
14. Grünspinner
15. Doppelcocon, geöffnet
16. Normaler Cocon, geöffnet
17. Cocon nach Entfernung der Florettseide
18. Abgehaspelter Cocon
19. Cocon mit Flugloch