Die Dienstboten

Gruppenportrait von drei weibl. und drei männl. Dienstboten

Die Dienerschaft – allgemein Dienstboten genannt – steht in der Nachfolge der früheren hochherrschaftlichen Diener. Je nach städtischem oder ländlichem Kontext sind es Haus- bzw. Hofangestellte.

In der bäuerlichen Umgebung wurden sie in der Regel noch wie früher Knechte und Mägde genannt. Sie saßen zumeist mit ihren Arbeitgebern beim Essen gemeinsam an einem Tisch und waren auch sonst allgemein gut in die Familie intergriert.

In der Rangfolge standen sie zwischen Hausherr nebst Hausherrin bzw. Bauer nebst Bäuerin auf der einen Seite und deren Kindern auf der anderen Seite. Was Bedienstete gegenüber den Kindern des Hauses anordneten, hatten diese zu befolgen … ihnen also zu gehorchen.
Etwa ein Drittel aller erwerbstätigen Berlinerinnen arbeiten um die Jahrhundertwende (19./20.) als Dienstmädchen. Oft nur als Übergangsberuf.
1895 waren im Deutschen Reich ungefähr 1,3 Millionen Frauen und Mädchen als Dienstmädchen in Stellung.


Berufsbezeichnungen

Dienstbote, Bedienstete, Buttler, Diener, Dienerschaft, Dienstmagd, Dienstmädchen, Gesinde, Hausangestellte, Hausknecht, Hausmagd, Knecht, Küchenmädchen, Küchenmagd, Magd
servants, domestics (engl.)
domestiques (franz.)
szolgálati személyzet (ungar.)


Dienstboten.
Der Umgang mit dem Gesinde ist eine der unangenehmsten Partien für die feingebildete Hausfrau. Man würde in That am glücklichsten leben, wenn man der Dienstboten nicht bedürfte; denn besonders die Hausfrau, welche in steter Berührung mit ihnen steht, wird es finden, daß, je mehr Dienstboten sie hat, ihr auch desto mehr Gelegenheit un Veranlassung zu Verdruß und Aerger gegegeben wird. Jeder Mensch strebt nach Freiheit, also der Dienstbote auch; allein diese roheren Naturen deuten diese Streben nach Freiheit auch etwas roher an, und daher dann jenes falsches Wesen der Dienstboten, die stets und mit sehr wenigen Ausnahmen beständig die Schwäche ihrer Herrschaft auszusuchen streben, um solche zu benützen. – Wenn nun auch die Hausfrau den Dienstboten nicht als einen Sclaven betrachten soll, so dürfen wir ihr doch den wohlmeinenden Rath geben, daß sie sich in strenger Entfernung von ihm halte, daß sie also nur in solche Gespräche mit dem Dienstboten sich einlasse, welche zu dessen Pflichterfüllung gehören, daß sie ganz besonders von dem Dienstboten sich keine Neuigkeiten hinterbbringen oder überhaupt von demselben im Gespräch sich nicht unterhalten lasse, daß sie in das innere Verhältniß der Wirthschaft den Dienstboten nie blicken lasse, daß sie nicht die entfernteste Heimlichkeit mit demselben anknüpfe, selbst die unschuldigen nicht, welche etwa Ueberaschungen an Geburtstagen, oder am Weihnachtsfest usw. zum Zweck haben, daß sie überhaupt dem Dienstboten die Ueberzeugung gebe, es sei gleichviel, er spreche mit der Hausfrau, oder mit dem Ehemann, daß sie nie zur Unzeit heftig gegen das Gesinde werde, daß sie nie darauf ausgehe, es belauschen zu wollen, und daß sie hauptsächlich überall mit einem guten Beispiel dem Hausgesinde vorangehe, denn das Sprüchwort: „Wie der Herr, so der Knecht.“, ist ein sehr wahres Wort.
Bei manchen Wirthinnen ist das Gesinde gut, und derselbe Dienstbote wird von einer andern Frau, in deren Dienste er tritt, bald unerträglich gefunden. Bei den vielen Klagen über die Dienstboten haben die meisten Ehefrauen sich selbst zu beklagen. Zu nachsichtig und gut, oder zu strenge mit einem ungebildeten, untergeordneten Menschen zu sein, beides taugt nicht. – Wenn die Frau es vermeiden kann, so wechsele sie nicht zu häufig mit den Dienstboten. Ist ihr die Luft zu wechseln erst eigenthümlich geworden, so wird sie selten in dem Umtausch sich verbessern, und an dem entlassenen Dienstboten hat sie einen Lästerer mehr, darum werde nie ein Dienstbote von ihr im Zorn entlassen. – Dienstboten, welche man zu lange hat, setzen sich mitunter in einen Mehrbesitz von Ansprüchen und Befugnissen, welche zuletzt drückend und lästig werden, zumal wenn die Eigenheiten des Alters hinzukommen. Daher muß die Ehefrau, sobald sie von diesem Streben, der Herrschaft einen mehreren Besitz abkämpfen zu wollen, überzeugt wird, so schnell als möglich gleich das ganze Haus rein machen, und alle übrigen Dienstboten auch entlassen, denn von jener gefährlichen Person sind die übrigen schon angesteckt. –
In einen heftigen Streit mit dem Dienstboten lasse sich die Hausfrau nie ein. Sie entwürdigt sich dadurch, und außerdem hat denn doch jeder Mensch Galle. Was will sie also machen, wenn der Dienstbote Leidenschaft mit Leidenschaft erwidert?  –
Gelegenheit macht Diebe, darum vertraue man dem Gesinde nicht zu viel an, denn der Handel mit der Ehrlichkeit ist etwas gefährlich; auf der andern Seite aber auch wird das Gesinde erbittert und zu kleinen Entwendungen gereizt, wenn die Hausfrau, ohne Grund dazu zu haben, einen falschen Argwohn laut ausspricht.
C.Nikolai
(aus: „Frauen-Brevier für Haus und Welt.“, 1870, Berlin, G. Grote Verlag)


Anstellung und Gehalt der Dienstboten

Üblicherweise erhielten sie ihr Gehalt an Mariä Lichtmess, also am 2. Februar. Dies war zugleich der Zeitpunkt, an dem Bedienstete eine Anstellung wechseln konnte, da ein neues Wirtschaftsjahr begann.  Gesindedienstbücher zu führen war nicht nur Vorschrift, sondern auch zur Empfehlung der Angestellten von nicht unerheblicher Bedeutung.

Dienstbotenmarkt, Anstellung
Dienstbotenmarkt im Elsaß, um 1894

Ei, Bäuerin, hol den Beutel her!
Ei Bauer, zahl mi aus!
Ihr habt scho oft a Supp kocht,
hat garnet kräftig gschmeckt,
I hab scho oft a Arbeit ghabt,
hab garnet wale gemacht.


Dienstboten.
Ein wohlwollendes, ernsthaftes, gesetzes, immer gleiches Betragen, entfernt von steifer hochmüthiger Kälte und Feierlichkeit,  – gute, richtige, nicht übermäßige, der Wichtigkeit ihrer Dienste angemessene Bezahlung,  – strenge Pünktlichkeit, wenn es darauf ankommt, sie zur Ordnung und zu demjenigen anzuhalten, wozu sie sich verbindlich gemacht haben, – Liebe und theilnehmende Güte, wenn sie die Gewährung einer anständigen, bescheidenen Bitte, die Vergünstigung eines unschuldigen Vergnügens von usn begehren, oder auch ungebeten nur erwarten können, –  weise Ueberlegung in Zutheilung der Arbeit, so daß man sie nicht mit unnützen Arbeiten überhäufe, mit Geschäften, die blos unser eitles Vergnügen zum Gegenstande haben, deenoch aber nicht leide, daß sie je müßig seien, sondern sie auch anhalte, für sich selbst zu arbeiten, sich in Kleidung reinlich und rechtlich zu halten, sich Geschicklichkeit zu erwerben, – Aufmerksamkeit und Aufopferung unserere eigenen Interesses, wenn man Gelegenheit hat, ihnen ein besseres Schicksal zu verschaffen, sie zu befördern, möglichste Sorgsamkeit für ihre Gesundheit, für ehrlichen Erwerb und für ihre sittliche Aufführung; – das sind die sichersten Mittel, gut und treu bedient, und von denen, die uns dienen, geliebt zu werden. –
Knigge
(aus: „Frauen-Brevier für Haus und Welt.“, 1870, Berlin, G. Grote Verlag)



1890

1890
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Von den Rechten und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes

Die Preußische Gesindeordnung vom 8. Nov. 1810 – Auszug

§1
Das Verhältniß zwischen Herrschaft und Gesinde gründet sich auf einem Vertrage, wodurch der eine Theil zur Leistung gewisser häuslicher oder wirthschaftlicher Dienste auf eine bestimmte Zeit, so wie der andere zu einer dafür zu gebenden bestimmten Belohnung sich verpflichtet.

§2
In der ehelichen Gemeinschaft kommt es dem Manne zu, daß nöthige Gesinde zum Gebrauch der Familie zu mieten.

§3
Weibliche Dienstboten kann die Frau annehmen, ohne daß es dazu der ausdrücklichen Einwilligung des Mannes bedarf.

§4
Doch kann der Mann, wenn ihm das angenommene Gesinde nicht anständig ist, dessen Wegschaffung nach verfloßner gesetzmäßiger Dienstzeit, ohne Rücksicht auf die vertragsmäßig bestimmte, nach vorgänginger Ankündigung verfügen.

§5
Wer sich als Gesinde vermiethen will, muß über seine eigene Person frei zu schalten berechtigt sein.

§6
Kinder, die unter väterlicher Gewalt stehen, dürfen ohne Einwilligung des Vaters, und Minderjährige ohne Genehmigung ihres Vormundes sich nicht vermieten.

§7
Verheiratete Frauen dürfen nur mit Einwilligung ihrer Männer als Ammen oder sonst in Dienst gehen.

[…]

§68
Wegen der Entschädigung, zu welcher ein Dienstbote verpflichtet ist, kann die Herrschaft an dem Lohn desselben sich halten.

[…]

§73
Allen häuslichen Einrichtungen und Anordungen der Herrschaft muß das Gesinde sich unterwerfen.

§74
Ohne Vorwissen und Genehmigung der Herrschaften darf es sich auch in eigenen Angelegenheitenvom Hause nicht entfernen.

§75
Die dazu von der Herrschaft gegebene Erlaubniß darf nicht überschritten werden.

§76
Die Befehle der Herrschaft und ihre Verweise muß das Gesinde mit Ehrerbietung und Bescheidenheit annehmen.

§77
Reizt das Gesinde die Herrschaft durch ungebührliches Betragen zum Zorn, und wird in Selbigem von ihr mit Scheltworten, oder geringen Thätlichkeiten behandelt, so kann es dafür keine gerichtliche Genugthuung fordern.

§78
Auch solche Ausdrücke oder Handlungen, die zwischen anderen Personen als Zeichen der Geringschätzung anerkannt sind, begründen gegen die Herrschaft noch nicht die Vermutung, daß sie die Ehre des Gesindes dadurch habe kränken wollen.

§79
Außer dem Falle, wo das Leben oder die Gesundheit des Dienstboten durch Mißhandlungen der Herrschaft in gegenwärtige und unvermeindliche Gefahr geräth, darf er sich der Herrschaft nicht thätig widersetzen.

§80
Vergehung des Gesindes gegen die Herrschaft müssen durch Gefängniß oder öffentliche Strafarbeit nach den Grundlagen des Kriminalrechts geahndet werden.

§81
Auf die Zeit, durch welche das Gesinde wegen Erleidung solcher Strafen seine Dienste nicht verrichten kann, ist die Herrschaft befugt, dieselben durch Andere auf dessen Kosten besorgen zu lassen. […]

§117
Ohne Ankündigung kann die Herrschaft ein Gesinde sofort entlassen:
1) Wenn dasselbe die Herrschaft oder deren Familie durch Thätlichkeiten, Schimpf- und Schmähworte oder ehrenrührige Nachreden beleidigt oder durch boshafte Verhetzungen Zwistigkeiten in der Famili anzurichten sucht.
§118
2) Wenn es sich beharrlichen Ungehorsam und Widerspenstigkeit gegen die Befehle der Herrschaft zu schulden kommen läßt.
§119
3) Wenn es sich den zur Aufsicht über das gemeine Gesinde bestellten Hausoffizianten mit Thätlichkeiten, oder groben Schimpf- und Schmähreden, in ihrem Amte widersetzt.
§120
4) Wenn es die Kinder der Herrschaft zum Bösen verleitet, oder verdächtigen Umgang mit ihnen pflegt.
§121
5) Wenn es sich des Diebstahls oder der Veruntreuung gegen die Herrschaft schuldig macht.
§122
6) Wenn es sein Nebengesinde zu dergleichen Lastern verleitet.
§123
7) Wenn es auf der Herrschaft Namen ohne Vorwissen Geld oder Waren auf Borg nimmt.
§124
8) Wenn es noch nicht verdiente Livrée ganz oder zum Teil verkauft oder versetzt.
§125
9) Wenn es sich wiederholentlich ohne Vorwissen und Erlaubniß der Herrschaft über Nacht aus dem Hause geblieben ist.
§126
10) Wenn es mit Feuer und Licht gegen vorhergegangene Warnungen unvorsichtig umgeht.
§127
11) Wenn es auch ohne vorhergegangene Warnung aus dergleichen unvorsichtigem Betragen wirklich schon Feuer entstanden ist.
§128
12) Wenn das Gesinde sich durch lüderliche Aufführung ansteckende oder ekelhafte Krankheiten zugezogen hat.
§129
13) Wenn das Gesinde ohne Erlaubniß der Herrschaft seines Vergnügens wegen ausläuft, oder ohne Not über die erlaubte, oder zu dem Geschäfte erforderliche Zeit ausbleibt, oder sonst den Dienst mutwillig vernachlässigt, und von allen diesen Fehlern auf wiederholte Verwarnung nicht absteht.
§130
14) Wenn der Dienstbote dem Trunk oder dem Spiel ergeben ist, oder durch Zänkereien oder Schlägereien mit seinem Nebengesinde den Hausfrieden stört, und von solchem Betragen auf geschehene Vermahnung nicht abläßt.
§131
15) Wenn ein Dienstbote diejenigen Geschicklichkeiten gänzlich ermangelt, die er auf Befragen bei der Vermietung zu besitzen ausdrücklich angeben hat.
§132
16) Wenn ein Dienstbote von der Obrigkeit auf längere Zeit, als acht Tage, gefänglich eingezogen wird.
§133
17) Wenn ein Gesinde weiblichen Geschlechts schwanger wird, in welchem Falle jedoch der Obrigkeit Anzeige geschehen und die wirkliche Entlassung nicht eher, als bis von dieser die gesetztmäßigen Anstalten zur Verhütung alles Unglücks getroffen werden, erfolgen muß.
§134
18) Wenn die Herrschaft von dem Gesinde bei der Annahme durch Vorzeigung falscher Zeugnisse hintergangen worden.
§135
19) Wenn das Gesinde in seinem nächstvorhergehenden Dienste sich eines solchen Betragens, weshalb es nach §117-128 hätte entlassen werden können, schuldig gemacht und die vorige Herrschaft dieses in dem ausgestellte Zeugnisse verschwiegen, auch das Gesinde selbst es der neuen Herrschaft bei der Annahme nicht offenherzig bekannt hat.

§136
Das Gesinde kann den Dienst ohne vorhergehende Aufkündigung verlassen:
1) Wenn es durch Mißhandlungen von der Herrschaft in Gefahr des Lebens oder der Gesundheit versetzt worden.
§137
2) Wenn die Herrschaft dasselbe auch ohne solche Gefahr, jedoch mit ausschweifender und ungewöhnlicher Härte, behandelt hat.
§138
3) Wenn die Herrschaft dasselbe zu Handlungen, welche wider die Gesetze oder wider die guten Sitten laufen, hat verleiten wollen.
§139
4) Wenn dieselbe das Gesinde vor dergleichen unerlaubten Zumutungen gegen Personen, die zur Familie gehören oder sonst im Hause aus und eingehen, nicht hat schützen wollen.


Buchempfehlungen

  • Violet Schultz: In Berlin in Stellung. Dienstmädchen im Berlin der Jahrhundertwende. Edition Hentrich Berlin. 1989, ISBN 3-926175-63-X
  • Clara Viebig: Das tägiche Brot. Berlin 1901 (Roman über ein Berliner Dienstmädchen)