Der traditionelle Blaudrucker erschafft blau-weiße Muster auf Naturstoffen – wie Leinen, Baumwolle oder Seide – unter Anwendung der Reservetechnik.
Das Drucken des Musters erfolgt mittels einer Deckmasse (genannt Papp) auf dem Gewebe, welches bei der anschließenden Färbung im Färbebad ausgespart wird. So entstehen weiße Muster aus der ursprüngliche Farbe des Stoffes auf blauem Grund. Wegen des blauweißen Dekors wurde im 18. Jahrhundert der Blaudruck auch Porzellandruck genannt. Blaudrucker sind spezialisierte Blaufärber, schlussendlich wird ja auch blau gefärbt und nicht blau gedruckt.
Was allgemein ‚Blaudruck‘ heißt, nennen die Fachleute ‚Reservedruck‘, da mit dem Blau nicht gedruckt, sondern gefärbt wird. Das Muster wird durch eine Reservage, P a p p genannt, auf dem Stoff abgedeckt und bleibt beim Färben somit weiß, also ‚reserviert‘. Die Zusammensetzung der Reservage ist für den Erfolg der Arbeit wichtig, denn sie muß auf dem Stoff gut haften. Früher hielten die Druckerfamilien die Zusammensetzung der Druckmasse streng geheim. Manches ist uns jedoch bekannt geworden, da die auf Wanderschaft befindlichen Drucker sich notierten, was sie erfahrenen Meistern absehen konnten.
So notierte ein Diederich Buddeberg aus Lippstadt in seinem 1810 ausgestellten Wanderbüchein: ‚Besten weißen Druck: 4 Pfund Ton, 2 Pfund Blaustein, 1 Pfund Grünspan, 1/8 Pfund Weinsteinsäure, 1 1/2 Pfund Gummij‘. Auch für die Farbküpe – so bezeichnet der Blaudrucker die Färberlösung – gibt es die verschiedensten Rezepte. Die slowakischen Blaufärber in Stará L’ubnova schwören seit jeher auf folgendes: 5 Kilogramm Indigo, 4,5 Kilogramm Kupfervitrol, 5 Kilogramm Kalk und 1000 Liter Wasser.
Durch die Wanderschaft der Blaudrucker kam es nicht nur zum Austausch der Rezepte, sondern auch des Formenschatzes der Druckstöcke, fachlich Model genannt. Eine mittlere Blaudruckwerkstatt besaß Ende des 19. Jahrhunderts etwa 500 bis 1000 Model.
Blaudruckergesellen mussten – um Meister werden zu können – drei Jahre lang auf die Walz gehen. Dadurch verbreitete sich der Blaudruck rasch in ganz Mitteleuropa. Und so ist auch die Ähnlichkeit der Modelmuster zu verstehen. Den größten Aufschwung erlebte der Blaudruck im 17. und 18. Jahrhundert.
1785 erfand der Schotte H. Bell die Walzen-Druckmaschine, wodurch der maschinell billiger hergestellte Gewebedruck nach und nach den handgemachten Blaudruck verdrängte.
Berufsbezeichnung
Oberbegriff: Färber
verwandte Berufe: Batik(färb)er, Blaufärber, Bandhanifärber, Soffdrucker (Zeugdrucker)
Zubehör & Materialen der Blaudrucker
- Model = Druckstock
- Papp = Reservage
- Streichkaste
- Streichbürste
- Polster
- gepolsterter Drucktisch
- blauer Farbstoff: heimischer Färberwaid, Indigo aus indischem Blauholz, synthetisches Indigo (seit 1896)
- Farbküppe, Färbeküppe = Färberlösung
- Küpen = Holzbottiche zum Färben
- Reifen aus Eisen
- Spülbottiche
Die Druckstöcke bestehen aus einem Hartholzkörper, in dessen Oberseite das aus Birn- oder Buchsbaumholz geschnittene oder aus Messingformstücken gefertigte Motive eingefügt sind. Einige Blaudrucker schnitzten sich ihre Modeln selber, andere beauftragten damit einen Formstecher.
Vom Blaudrucken und blau machen
„Den breiartigen Papp tragen sie mit der Streichbürste auf ein Polster im Streichkasten auf. Von diesem Polster wird – wie von einem Stempelkissen – der Papp mit einem Model aufgenommen und auf dem gepolsterten Drucktisch auf die weiße Gewebebahn gedrückt. Der Blaudrucker muß darauf achten, daß der Model den Papp gleichmäßig annimmt, damit er einen sauberen Druck erzielt.“
(aus Bernd Wurlitzer: Historische Werkstätten, Verlag Die Wirtschaft Berlin, 1989)
Nach dem Bedrucken müssen die Stoffe ca. drei Wochen trocknen, ehe es ans Färben geht.
Etwa zehn Minuten bleibt der Stoff in der Küppe, bis er das erste Mal herausgezogen wird. Die Oxidation an der Luft bewirkt den Farbumschlag von Gelb über Grün zu Blau. Dieser Vorgang wird 8 bis 10 mal wiederholt, bis der gewünschte Blauton erreicht ist. Beim Färben dürfen die bedruckten Seiten nicht zusammenkleben. Mit einem Stock werden sie auseinander geschlagen. Das Sprichwort ‚jemanden grün und blau schlagen‘ hat hier wohl eine seiner Wurzeln. Während des Verhängens an der Luft hat man als Färber ansonst nicht viel zu tun und kann daher auch ein wenig ‚blau machen‘, da er ja schließlich ‚klug wie ein Blaudrucker‘ ist.
„Zum Färben wird der Stoff mit dem getrockneten Papp in schmiedeeiserne Reifen gehängt und in 2,50 Meter tiefe, in den Boden versenkte Bottiche getaucht, in denen sich die Färbelösung befindet. Zieht der Färber den Stoff nach dem ersten Eintauchen hoch, ist von Blau nichts zu sehen – das Gewebe ist grün. Ein alter Färberspruch lautet: ‚Was gut grünt das tut gut blauen!‘ Erst nach dem dritten und vierten Eintauchen wird der Stoff durch das Einwirken des Luftsauerstoffs dunkelblau. Hat sich danach in einer verdünnten Schwefelsäurelösung der Papp abgelöst, erscheint das aufgedruckte Muster ‚reserviert‘, also in der weißen Farbe des nunmehr blauen Stoffes. Nach mehrmaligem Spülen, das früher im fließenden Wasser […] erfolgte, wird der Stoff zum endgültigen Trocknen aufgehängt.„
(aus Bernd Wurlitzer: Historische Werkstätten, Verlag Die Wirtschaft Berlin, 1989)
Historisches
Als Ursprungsregion des Blaudrucks wird in Indien vermutet, von wo er sich über den Orient bis hin nach Afrika ausbreitete.
Bekannt ist dieses Verfahren schon seit mindestens 1500 Jahren, denn bei Ausgrabungen im oberägyptischen Achmim wurde in einem Grab ein Kinderkleid gefunden, das mit einer Wachsreservage bemalt und danach blau gefärbt worden war. Es gilt als einer der ältesten Funde erhaltener Blaudruckstoffe.
Durch die Entdeckung des Seeweges nach Indien durch Vasco de Gama 1458 und der Gründung der Ostindischen Handelsgesellschaften gelangte Quutun (so nannten die arabischen Händler die Baumwolle) und die Indiennes (indische Baumwolldrucke) in großer Zahl nach Europa.
Um 1650 soll der holländische Kunstmaler Pieter Coecke van Aelst das Wissen um den Blaudruck aus dem Orient mitgebracht haben. Interesse fand diese Drucktechnik aber erst etwa 100 Jahre später, als aus Indien zurückkehrende Handelsschiffe große Mengen blauer Kattundrucke mit weißem Muster entluden. Holländische Handwerker ahmten das neue Druckverfahren nach und gründeten 1678 in Amsterdam die erste nachweisbare Blaudruckerei Europas. Deren Erzeugnisse erfreuten sich schnell großer Beliebtheit, und es dauerte deshalb nicht lange, bis die erste Blaudruckerei in Deutschland entstand. Die Chronik vermeldet: 1689 wurde sie in Augsburg von dem Tuchscherer Heremias Neuhofer und dem Färber Daniel Deschler gegründet. Beide können sich demzufolge als die ersten Blaudrucker Deutschlands bezeichnen.
[alle Buchzitate aus Bernd Wurlitzer: Historische Werkstätten, Verlag Die Wirtschaft Berlin, 1989]
Blaudruck heute
Heute wird der Blaudruck industriell mittels Direktdruck und dem Ätzdruck nachgeahmt. Aber es gibt auch noch und wieder einige Textilkünstler, die das traditionelle Blaudruckverfahren praktizieren. Verwendung finden Blauduckstoffe für Trachten, Kleidung, Schürzen, Kopftücher und modische Accessoires aber auch als Möbelbezug, Vorhänge, Bettwäsche, Tischtücher u.ä.
Im Dezember 2016 wurde der Blaudruck von der Deutschen UNESCO-Kommission in das Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Buchempfehlungen
- Irmgard Plotzki: Der Blaudruck. Institut für angewandte Kunst, 1955
- Rose Müller: Blau mit weißen Blumen. Geschichte und Technologie des Blaudrucks. Coppenrath Verlag, Münster, 1977
Berliner Blaudrucker
Blaudruckatelier Starcken
in Berlin-Köpenick