Der Pestarzt

Schutzkleidung aus Leder eines Pestarztes
Pestarzt in Schutzkleidung
2019, Berlin, Märkisches Museum – [Foto: Sulamith Sallmann]

Als im Mittelalter die Pest durch Flöhe und Kleiderläuse, auf den Menschen übertragenen wurde, siechten die Menschen vor sich hin. Die Epidemie des „Schwarzen Todes“ raffte Hunderttausende dahin. Zu den Seuchenausbrüchen verhalfen die schlechten, beengten Lebensbedingungen der damaligen Bevölkerung.
Die Pest gab es natürlich schon lange vor dem Mittelalter. Jedoch war sie in jener Zeit besonders verheerend. Mitunter wurden auch andere schwere Krankheiten, die seucheartig um sich griffen als Pest bezeichnet, ob keines anderen bekannten Namens dafür.


Floh unter einem Vergrößerungsglas
Rattenfloh

Damit die Ärzte den Infizierten Erleichterung ihres Leiden verschaffen konnten und sich selber nicht der Gefahr aussetzen, sich mit dem Erreger anzustecken, trugen sie eine furchteinflößende Ganzkörperschutzkleidung aus Leder.
Mitunter wurde in Pestzeiten versucht, die Kranken in Pesthäuser unterzubringen, um sie dort zu versorgen.

Berufsbezeichnungen

Pestarzt,   Pestdoktor,   Pestheiler,   Pest-Medicus,   Pestbalbierer,   Pestbarbier,
–  (ugsp.)  Dr. Schnabel,   Schnabeldoktor

Spezialisierungen:   Pesthebamme,   Pestkommissar,   Pestprediger,   Pestwärter
verwandte Berufe:   Arzt


Zeitungsartikel zum Thema Pest

Der „schwarze Tod“.
Die mit namenlosem Elend, Not und pein verknüpfte Geschichte der Pest reicht sicherlich weit bis in die Jugendtage der Menschheit. Freilich bekunden die uralten, auf solide Backziegel und zierliche Tontäfelchen eingeritzten Traditionen der assyrisch-babylonischen Nationen, die bereits im zweiten vorchristlichen Jahrtausend eine in sich geschlossene, hoch entwickelte Heilkunde besaßen, wenig Bestimmtes von der Pest; es melden die Keilinschriften lediglich das zeitweise Auftreten epidemischer Krankheiten. Dagegen stoßen wir im heiligsten Buch der Bücher, dem ehrwürdigen, aus einer Reihe ergreifender Dichtungen bestehenden Bibelwerke, zuerst auf die ältesten sicheren Nachrichten über die Seuche. Im weiten Buche Mosis, das den Auszug der Israeliten aus Ägypten verherrlicht, wird zwar anscheinend schon zwischen schwarzen Blattern und Pest unterschieden, doch fehlen spezielle Angaben über das durch die grause Würgerin erzeugte charakteristische Symptomenbild. Nachdem der um etwa 1450 v. Chr. lebende Moses die Hebräer von dem drückenden Joch Pharaos befreit hatte, ließen sich seine Stammesbrüder in Kanaan nieder. Hier gerieten sie häufig mit ihren dem Gaukelwerk des Götzendienstes anhängenden Nachbarn, den kriegslustigen Philistern, in Fehde.
Als diesen den Nachkommen Abrahams wieder eine Niederlage bereiteten und ihnen zugleich ihr größtes Heiligtum, die goldene Bundeslade, raubten, da kam die Hand Jehowas schwer auf sie. Er schlug, wie das erste Buch Samuels berichtet, die heidnischen Gegner mit dem Apholim, das sind Beulen, die als Lieblingsstellen die Lymphknäuel an den Schenkel- und Armbeugen aussuchen. Und mit dem beginnenden Drüsensterben entwichen unendliche scharen von Mäusen ihren Schlupfwinkeln. Überall, wo man die Lade Gottes hinführte, brachen die schreckenerregenden Bubonen aus, und lautes Wehklagen stieg gen Himmel. So fühlten die Philister die Rache des Weltlenkers, und sie schickten die Truhe des Bundes mit einem Schuld- und Sühneopfer von fünf goldenen Beulen und fünf goldenen Mäusen zu den Leviten über die Grenze. Damit erlosch der Tod und die Trauer in den Orten und Städten des philistäischen Gebietes; es war dies um das Jahr 1060 vor Erscheinen des verheißenen Messias.

Zeitungsartikel zum Thema Pest

– Die Söhne und Töchter Israels mißachteten die am Berge Sinai dekretierten Gesetze des Ewigvaters, sie sanken tiefer und tiefer, und mit der Langmut des Schöpfers ging es, wie der biblische Mythus kündet, zu Ende. Er verhängte fürchterliche Leiden über sein auserwähltes Volk; seinem Befehl gemäß kreisten die Engel mit schwarzen Fittichen über die Abtrünnigen und fällten sie dann mit ihren „pestgeschwängerten Flammenschwertern“. Endlich vernichtete der assyrische König Salmanassar im Jahre 722 v. Chr. das durch die Parteikämpfe schon längst zerrüttete, morsche Reich Israels. Bei diesem Feldzug machten die Abkömmlinge der überwinder Babylons die Bekanntschaft mit einer giftigen Seuche, die wohl die Pest gewesen sein dürfte; sie raffte angeblich 185 000 Söldner hin.
Ebenso wie bei der Pest, die die Philister dezimierte, stellten sich auch um Lager Assyrer vor und während der entsetzlich grassierenden Epidemie unzählige Mäusehorden ein. Heute wissen wir – endlich – dank der modernsten Forschungen, welche verhängnisvolle Rolle die langschwänzigen Nager und ihre mächtigeren Genossen, die Ratten, als Wirte oder Zwischenträger des Pesterregers spielen. Damals war diese Bedeutung der ewig hungrigen Pfeiftierchen unbekannt, instinktiv fühlte man aber, daß ihre Anwesenheit Verderben bringen können. Um dem Unheil vorzubeugen und es abzuwenden, suchte man Schutz bei den verschiedenen Seuchengöttern, die dem allgemeinen Glauben nach mit Hilfe der in Gestalt von Tieren gedachten Seelengeister die Krankheiten zu bringen und zu heilen vermochten. So war der Apollo-Smintheus, das ist der übelabwehrer, der wahrscheinlich aus dem Orient stammt, der Hauptheilgott der Griechen und zugleich Regen der Seelengeister. Als solche galten und gelten noch die Mäuse. Es ist daher erklärlich, daß die Gläubigen, um die Neigung des göttlichen Mäusefürsten zu gewinnen, ihm kostbare, oft aus Edelmetall gefertigte Skulpturen seiner Leibboten als Weihegeschenk widmeten und man ihn selbst schon im vierten Jahrhunder v. Chr. mit einer Maus am Fuß darstellte.

Zeitungsartikel zum Thema Pest

Wann und wo die Furie Pest vom Orient zum Okzident übersprang, läßt sich kaum einwandfrei feststellen; es weisen mehrere Stellen in den Werken des berühmten Heilkünstlers Hippokrates von Kos, des Glanzperiode in das dritte und zweite Dezennium des fünften Säkulums v. Chr. fällt auf diese hin. Im großen und ganzen ist es schwierig, aus den Leidensschilderungen der antiken Ärzte, deren wissenschaftliche Anschauungen uns fremd, auf die Natur einer besttimmten Seuche zu schließen. So lassen sich viele Angaben im ersten bis fünften Jahrhundert m. Chr. sowohl auf die Pest bubonica als auch auf die wohl aus Indien eingewanderten Pocken oder Blattern verwerten.
Erst mit dem sechsten Jahrhundert trat der morgenländische Gast in voller Strenge und mit aller Energie zunächst im römischen Reich in Aktion; er zog von Konstantinopel heran und wütete von 532-595 in den von ihm heimgesuchten Landen. Die Plage von Byzanz leitete für das mittägige Europa unsägliches Elend, Schrecken ohne Ende ein, denn die „leidige Seich“ blieb mehr oder minder stationär und hauste mit kurzen Unterbrechungen bis tief ins siebzehnte Jahrhundert hinein. Wenn auch die Daten über die Sterbefälle übertrieben sind, so klingt es doch durchaus glaubwürdig, daß das „Sterfde van den drosen“ in den Jahren 1347 bis 1350 mindestens 20 Millionen Leute forderte. Ein sehr hoher Prozentsatz dieser beängstigenden Ziffer fiel auf die ohnehin wenig besiedelten deutschen Gaue, und man kann ruhig behaupten, daß die meisten Städte wohl die Hälfte ihrer Einwohnerschaft verloren haben.
Die Anschauungen über die Ursache der Pest wechselten wohl im Laufe der Jahrtausende, es blieb aber bis zur Gegenwart bei Millionen Menschen der uralte Glaube obenan, daß die gefährliche Krankheit infolge übernatürlicher Einflüsse entstehe und sich höheren Wesen unterordne.

Zeitungsartikel zum Thema Pest

Alles, was auf dem unendlichen Erdenrund passiert, soll nach der von den Chaldäern begründeten Astrologie dem Einfluß der Himmelskörper zuzuschreiben sein. Der Lauf und die Stellung bestimmter Gestirne, die man mit hohen Göttern identifizierte, galten von der nebelgrauesten Vergangenheit bis an die Wende des achtzehnten Jahrhunderts als besonders verderbenbringend für das Geschlecht des Homo sapiens. Aus dem religiösen Wahn resultierte, daß man in einzelnen Planeten die Erzeuger und Verbreiter der Pestkeime erblickte. Daher ist es nicht erstaunlich, daß sich noch bei den letzten, 1678-1681 in Österreich zirkulierenden Drüsenbeulen ein Wiener Hofrat, wie folgt, äußern konnte: „Am 10. August 1678 war die Konjunktion des Saturn und des Mars am Himmel. Dies ist die Mutter der Pest; denn der eine versammelt die böshaftigen Dünste in dem Grund der Erden, der andere that dieselbigen in der Luft erhöhen, fürnemlich wenn der Mond ein Finsternuß unter dem Zeichen des Wassermanns, der Waag und des Scorpions erleidet. Eine solche hat sich am 15. April 1670 begeben, also daß die heimlichen Planeten und Signa haben ziemlich zu unserem Untergang conspirit und zusammengehalten.“
Wenn man schon in den periodisch wiederkehrenden Stellungen der Gestirne Schauerdinge sah, so ist es ohnen weiteres klar, daß z.B. die seltener auftretenden Kometen überall grenzenloses Ensetzen auslösen mußten. 1456 erschien solch ein Wandelstern von ungewöhnlichem Glanze. Konstantinopel erlag gerade den Absturm der Türken, und man erblickte in dem Flammboten einen Sendling der Rache Gottes, den Austeiler seiner schrecklichen Vergeltungen: Überschwemmungen, Brände, Erdbeben, Hungersnot, Krieg und – Pest. Angeblich auf Befehl des Papstes läutete man die Kirchenglocken Europas, um das dahinziehende Phänomen wegzubannen. Doch die „Zuchtrute“ eilte weiter der Sonnen entgegen, entschwand bald dem Auge, um genau 75 Jahre später, 1531, wieder sichtbar zu werden. In glänzendem Fluge durchquerte sie das All, und wir haben sie wohl sämtlich 1910 in voller Pracht und Herrlichkeit am Wolkendome leuchten sehen; es war der Haley-Komet. Unsre profane Zeit, so sollte man meinen, glaubte nicht mehr an das Märlein, daß die Irrlinge im Ätherblau den Samen der Pestilentia legitima auf uns Staubgeborne ablüden. Und doch, der arme „Halley“ hat Pech; er kündete wahrscheinlich bereits als „Lampadias“ im Jahre 531 die Pest des Justinian, und da er ausgerechnetst immer in Perioden der Epidemien erschien, so macht man ihn, wie auch jetzt im Reiche des Zopfes, selbstverständlich als deren Ursache verantwortlich. Neben den mystischen finden wir auch recht gesunde Ansichten über die Herkunft der Pest. Einsichtsvolle Ärzte erkannten, daß der Seuche ein „belebter Infektionsstofff“, ein „Contagium animatum“, zugrunde liegen müsse. Die durch den berühmten italienischen Medikus H. Fracastoro (1483-1553) geförderte Lehre von den Kontagien wurde an der Schwelle des XX. Säkulums durch die Bakteriologie gestürzt. Es waren die Entdeckungen dieser jetzt in der Medizin dominierenden Wissenschaft, mit den Großtaten eines Koch, Pasteur und Behring verbunden, erst möglich, als es der modernen Technik und Optik gelang, sehr leistungsfähige Mikroskope zu fabrizieren. Als sich das „abscheuliche türkische Contagion“ in Deutschland einnistete, gab es nur an wenigen Fürstenhöfen geschulte Heilkünstler. Ihr Zahl blieb bis in die Epoche der Spätgotik (1420-1500) äußerst beschränkt; dem pflegebedürftigen Plebs standen meistenteils alte Weiber, Schäfer, Juden, Landfahrer, Schmiede, Scharfrichter, denen man Zauberkräfte zutraute, bei.

Zeitungsartikel zum Thema Pest

Von der Idee durchdrungen, daß die Geistlichen als Hirten der Seele auch treffliche Flicker des Leibes sein müßten, begehrte man ihre Hilfe. Die Patienten dachten wohl seltener daran, durch die Arzneien der frommen Männer zu genesen, als durch deren Fürsprache bei Gott und den Heiligen; letztere betrachtete man als intime Vertraute des Allerhöchsten und als Anwälte des Menschengeschlechts in allen geistigen und körperlichen Nöten. Der Begriff hatte einen hochgespannten Heiligenkult zur Folge, der logischerweise in Darbringung von Opfern ausklang. Gewisse Patrone, namentlich verklärte Märtyrer, genossen als Beschützer gegen Krankheiten bedeutendes Ansehen. Der hauptsächlichste Helfer gegen die Pest war der um das Jahr 287 erschossene Glaubenshed St. Sebastian; ferner flehte man zu St. Rochus, Christophorus, Leonard u.a.m.
Als Symbol der Pest gilt der Pfeil; schon in der Iliade wird sie mit feurigen Pfeilen verglichen, und die Runden der Germanen melden von unheilbringenden Geschossen feindlich gesinnter Elben. Analog, wie man den Sensenmann mit Pfeilen in der Hand darstellt, so auch Gott Vater. Man stützt sich auf den 91. Psalm, der lautet: „Er wird dich mit seinen Fittichen decken, daß du nicht erschrecken müssest vor den Pfeilen, die des Tages fliegen, vor der Pestilenz, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die im Mittage verderbet.“ Aus dem Einfall, die Zornpfeile des Schöpfers mit dem Martyrium des heiligen Sebastian, der durch die Pfeile der mauretanischen Bogenschützen den Tod erlitt, zu verknüpfen, resultierte auch, daß der Pfeil als sein Attribut zu Ehren kam. Diese Sebastianspfeile wurden und werden als Amulett gegen ansteckende Leiden um den Hals gehängt, denn:
„Die solche Pfeile tragen,
Nicht nach der Peste fragen.“
Im brennenden, mit Aberglauben stark verquickten Religionseifer und erfüllt von dem Wunsche, die zürnende Gottheit zu besänftigen, daß sie der Pest Einhalt geböte, verstieg man sich zu härtesten Selbstkasteiungen. Es bildeten sich im 13. und 14, Jahrhundert die Geißlerorden, deren Mitglieder, oft zu vielen tausend vereint, unter gegenseitiger, mit Ruten usw. ausgeübter Flagellation und unter Absingung von Bußliedern das Land durchzogen. Diese Geißlerfahrten, an denen sich beide Geschlechter beteiligten, arteten wie die sog. Pesttänze schnell zu einer religiös-erotischen Hysterie der Massen aus.
Da keine Arzneien gegen den „sort Dod“ existierten, verordneten gewissenhafte Ärzte lediglich Präservative; sie bestanden in Räucherungen aus wohlriechenden oder scharfen Pflanzenstoffen, wie Storax, Myrrhe, Thymian, Wacholder u. dgl. Bei Besuch bereits Erkrankter trugen die „Physici“ oft eine mehr oder minder dicht anschließende, maskenartige Garderobe. Venedig führte zuerst 1422 die Quarantäne ein. Sie sollte, daher der Name, eigentlich vierzig Tage dauern, denn auch „Moses und Christus sonderten sich so lange zur (seelischen) Reinigung in der Wüste ab. Einzelne Städte, wie Paris, Mailand, errichteten ausgedehnte Seuchenspitäler, worin man alle Erkrankten internierte. Häufig wurden die mit der Pest behafteten in die „Tollkisten“ oder „Narrenkobel“, ferner in die Aussatzhäuser eingesperrt.

A. Abel, 1911

Stadtansicht

Schutzkleidung aus Leder eines Pestarztes
2019, Berlin, Märkisches Museum – [Foto: Sulamith Sallmann]

In die lange Schnalbelnase wurden Duftstoffe gepackt, die einen etwas vor dem Pestilenzgeruch schützen sollten. In die Augenlöcher der Maske wurden manchmal Kristalle eingesetzt, die einen das Sehen erlaubten, aber einen gewissen Schutz der Augen gewährleisteten.


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Pestordnungen – Pestedikte

Um der schnell um sich greifenden Seuche Einhalt zu gebieten, wurden schon seit jeher Verhaltensregeln erlassen.


Sprüche und Weisheiten

  • Die Pest baut da ihr Nest, wo man sie ruhig brüten lässt.
  • Die Pest fürchtet sich vor der Apotheke nicht.
  • Wenn die Pest ein Pfennig von dir fordert, so gib ihr zwei und lass sie laufen.
  • Wenn man die Pest mit in die Stube nimmt, so ist sobald kein auffhören.
  • Die Pest erfasst die am ersten, welche sich vor ihr fürchten.
  • Bei Pest und in Kriegszeit gibt’s die meiste Neuigkeit.
  • Man soll die Pest verfolgen, aber nicht den Arzt.
  • Mancher will die Pest heilen und stirbt selbst am Aussatz.