Die Türmer

Foto: alter Wehrturm
Türmer, Turmwächter, Turm
„Türmers Abendrast“, 1899 [P. Kohlschuetter]

Die Türmer saßen in den hohen Stadttürmen und hielten Ausschau nach herannahenden Besucher und heranziehendes Unwetter. Auch oblag ihnen die Aufgabe, Brände rechtzeitig zu bemerken, bevor es zu größeren Feuerschäden kam. Sie bliesen die Stunden ab, weshalb diese Arbeit häufig von Trompetern und Musikern übernommen wurde.
Doch nicht selten hatten auch Scharfrichter den Job des Türmers inne.
Dieser Wachpostendienst genoss allerdings kein großes Ansehen.
Bis ins 18. Jahrhundert war es an verschiedenen Orten der Schweiz Brauch, den ersten im Frühling gesichteten rückgekehrten Storch zu verkünden.
Damit der Turmwächter seine Arbeit zuverlässig ausführen konnte, gab es vielerortens Anordnung, dass er bei seinem Wachdienst nüchtern zu sein hatte.


Berufsbezeichnungen

Türmer, Stadttürmer, Trompeter, Turmbläser, Turmwächter, Turmwärter, Thürmer, Thurmwächter, Wächter, tuermer
ugspr.: Haustaube, Bewahrer des Turmes
veraltet: trometer, bosuner, bleser, türner,

Türmer in anderen Sprachen

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Afrikaans:Toringwagter
Albanisch:Mbajtësi i kullës
Bulgarisch:Пазител на кули
Dänisch:tower keeper (?)
Englisch:watchman, tower keeper
Esperanto:Turo-gardisto
Estnisch:Tornihoidja
Finnisch:Torninvartija
Französisch:gardien de la tour
Friesisch:Toerhâlder
Griechisch:Πύργος
Hebräisch:שומר מגדל
Irisch:Coimeádaí an túir
Isländisch:Turnvörður
Italienisch:custode della torre
Latein:turrim Abel pastor
Lettisch:Torņa sargs
Litauisch:Bokšto prižiūrėtojas
Kirgisisch:Мунара сакчысы
Kroatisch:Čuvar kule
Niederländisch:Torenwachter
Norwegisch:Tårnvokter
Polnisch:strażnik wieży
Portugiesisch:guardião da torre
Rumänisch:păzitorul turnului
Russisch:Хранитель башни
Schottisch:Neach-gleidhidh tùr
Schwedisch:Tornvakt
Slowakisch:strážca veže
Slowenisch:Čuvaj stolpa
Spanisch:guardián de la torre
Telegu:టవర్ కీపర్
Thailändisch:ผู้รักษาหอคอย
Tschechisch:Strážce věže
Türkisch:kule bekçisi
Turkmenisch:Minaranyň sakçysy
Ungarisch:Toronyőr
Usbekisch:Minora qo’riqchisi
Vietnamesisch:Người giữ tháp
Walisisch:Ceidwad y twr
Weißrussisch:Захавальнік вежы
Xhosa:Umgcini wenqaba
Yoruba:Olutọju ile-iṣọ
Zulu:Umgcini wombhoshongo

Berufsfamilie:   Sicherheitsleute
Gehilfen: Sturmtüter
verwandte Berufe:   Nachtwächter, Leuchtturmwärter, Bahnwärter, Wachleute


Der Türmer

sw-Abbildung mit werbendem Text für die Zeitschrift "Der Türmer"
um 1905, Stuttgart

Der Turmwächter

alter Stich: Wächter in schicker Kleidung sitzt mit einem Stab auf einem Stuhl
1878, England/London Tower

„Während des Mittelalters fühlten sich die Ritter in ihren Burgen recht sicher. Von hoher Zinne spähte der Turmwächter Tag und Nacht in die Lande hinaus und wachte so über die ahnungslosen Burgbewohner. Er meldete dem Burgherrn durch Hornstöße, wenn sich ehrenwerte Gäste der Burg näherten. Schrecklich klang aber das Horn des Wächters, wenn Feinde im Anzuge waren.
Auch die Bürger hatten ihrer Sicherheit wegen ihre Städte mit Wall und Graben oder gar mit festen Mauern umgeben. Von den bewehrten Türmen der Stadt schauten ebenfalls Wächter Tag und Nacht aus, um gegebenenfalls die waffengeübten Bürger auf die Stadtmauer zu rufen.
Aber als das Schießpulver die bisherige Kampfesweite völlig über den Haufen warf, konnten Türme und Stadtmauern nicht mehr viel schützen. Sie waren überflüssig geworden, verfielen, und der Turmwächter hatte seine wichtige Rolle ausgespielt. Vorsichtige Städte hielten sich trotzdem hie und da noch einen Turmwächter. Dessen Dienst bestand natürlich nur noch darin, die Stadt vor einem schlimmen Feinde zu bewahren, nämlich der grausamen Feuersbrunst!
Vom hohen Kirchturme schaute der Wächter Tag und Nacht durch seine Luken in alle vier Richtungen über die Stadt hinaus, ob er nicht irgendwo eine Brandstätte erspähe. Brannte es zur Tageszeit, dann schwenkte er eine Weile seine Feuerfahne in der Richtung des Brandes. Nachts dagegen tutete er die Bürger wach oder gab den Nachtwächtern in der Tiefe durch Schwenken einer Laterne Kunde, schnell die Feuerwache in Kenntnis zu setzen.
Aber das moderne Feuersignal- und Löschwesen hat auch diesen Turmwächter jetzt überflüssig gemacht. In großen Städten wird darum heutigentags niemand mehr etwas vom Turmwächter hören und sehen. So wird die Stadt immer ärmer an poesieumwobenen Berufen.“


(aus: Hrsg. Ernst Bock: Alte Berufe Niedersachsens. 1926)


Foto: steinerner Turm spiegelt sich in einer Pfütze
2012 – [Foto: Sulamith Sallmann]

Türmer in Berlin

„[…] Auf den Türmen der Hauptkirchen im Mittelpunkt der Stadt, wie der Nikolai-, Petri-, Werderschen und Marienkirche, gab es damals noch die die Turmwächter, welche Nachts dort oben Wache halten mußten. Sobald der Wächter einen Feuerschein in irgendeinem Teile der Stadt bemerkte, schwenkte der dort oben eine brennende Laterne als Zeichen der Gefahr und tutete. Bei einem kleinen Feuer zeigte er eine weiße Laterne und bei Großfeuer eine rote. Bei dem letzteren wurde auch von allen Türmen Sturm geläuet. […]“

(Quelle: Agathe Nalli-Rutenberg: Das alte Berlin.Erinnerungen. 1913, Continental Verlag Berlin)

AK: Turmbläser des nachts auf dem Turm über verschneitem Ort
1925 – [Alfred Mailick]

Der Türmer um 1575

Der Türmer.
Auf hohem Turme über der Stadt,
über den Dächern und Menschen,
saß unsere Turmwächter meist in der Nacht,
um auf die Feuergefahren zu achten.
Doch auch bei Tage war dort sein Platz,
wenn der Gemeinde Kriegsgefahrt drohte.
Gellend rief er mit dem ‚Feindio‘
er seine Bürger zu Wehr und Waffen,
zeigte der Feind sich unter den Mauern.
Fern in die Lande sag er hinaus,
bemerkte von weitem auch nahende Gäste,
die ermit freudigem Hornruf begrüßte.
Für große Kälte erhielt er den Pelz
und jährlich sein Tuch und die ‚Tuffeln‘.“


(…von den Ständen, Zünften und Handwercken um 1575 – Tengelmann)

Sammelbild: Mann bläst mit Horn vomTurm hinunter
[Tengelmann]

Türmer in Frankfurt am Main im Mittelalter

„Noch liegt es uns ob, einer Einrichtung des Mittelalters zu gedenken, die ebenfalls an vielen Orten bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein erhalten blieb und die eine wichtige Aufgabe für die Entwickelung der Instrumentalmusik erfüllte; es ist die Turmbläserei. Von den zahlreichen großen und kleinen Türmen der Stadt — man zählte im Mittelalter in Frankfurt einund-vierzig, in Sachsenhausen fünfzehn — besassen die höchsten und wichtigsten, die an den Straßen und nach dem Maine zu gelegen waren, ständige Wächter, die mit Signalinstrumenten, Hörnern und Trompeten, ausgerüstet waren. Die Anschaffung oder Wiederherstellung dieser Instrumente bildet eine ständige Rubrik in den städtischen Rechnungsbüchern. Der Dienst der Turmwächter bestand nach dem ältesten Eidbuch von 1362/1363 im „wachen, luden und signal zu geben“, was in verschiedenen Arten, je nach der Zahl der Feinde, die „gein die stat zu traben“, durch Pfeifen oder Blasen bestimmt war. Nach den Bücherschen Tabellen der Neubürger im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert wurde im erstem Zeitraum nur ein „Tagwächter“ aufgenommen, im zweiten dagegen neun. Ihre Zahl dürfte jedoch bedeutend größer gewesen sein. Der Dienst erstreckte sich über den Tag und die erste Hälfte der Nacht; für den Pfarrturm gab es zwei, für den Niklasturm einen Nachtwächter. Die Türme, die für die Tagwächter in Betracht kommen, sind: der Pfarrturm, Niklasturm, die beiden Brückentürme, der Galgenturm (das Haupttor der Stadt), der Bockenheimer- und Mainzer-, Katharinen- und Eschersheimer Turm, der Friedberger- und Rieder-, sowie der Affenturm in Sachsenhausen. Bis zur Fertigstellung der Kuppel des Pfarrturmes 1515, auf dem sich bis dahin nur ein hölzernes Wächterhaus befand, tritt der Wachtdienst auf dem Niklasturm, dessen steinerner Helm mit Wohnung schon 1460 errichtet war, besonders hervor, da von hier aus Fahrtor und Main beherrscht wurden.

Geschick und Übung der Türmer in der Behandlung der nur wenige Töne umfassenden Signalinstrumente führte sie in ihren – von dem Tagesgetriebe entfernten Wohnungen dazu, sich auch mit den Instrumenten der Kunstmusik, Posaune, Zugtrompete und Zinken zu beschäftigen, wie sie in Frankfurt ja oft genug von den kaiserlichen und fürstlichen Bläsern gebraucht wurden. Was in freiwilliger Übung den Beifall des Rats und der Bürger gefunden hatte, wurde laut nachstehender Notiz des Stadtrechenbuchs von 1440, Fol. 40 b, zu einem feststehenden Gebrauch erhoben: 15 gülden 15 ß für 9 bosunen und von Nurenberg her zu füren als man do selbs bestalt hat, und den wechtern uff den dorchgeenden porten und thornen hie geben sal, do uff zu lernen und zu blasen. Die älteste Erwähnung und Anordnung des Blasens vom Turme ist nach dem B.B. vom 27. Juni 1454: dem uff parrethorn sagen wan schieff oben herabe mit luden oder sost kommen, sulle er wol achte haben und anblasen. Am 10. Mai 1463 heißt es: dem wechter off sant Niclas sagen, die schiffe auch anzublasen mit eym underschedelichen geblese. Am 11. März 1479 wird dieses „Melodieblasen“ näher bezeichnet: allen tagehudern off den tornen sagen, so die schiffe kernen und hinwegfaren, das sie blasen sullen: in Grotes namen faren wir, und besonder den gein dem Meyne zu.
Zur Hervorbringung einer zusammenhängenden Melodie, wie sie die des hier genannten Volks- und Wallfahrtslieds aus dem zwölften Jahrhundert ist, mußte sich der Türmer eines geeigneten Instruments, wahrscheinlich der Tenor- oder Diskantposaune, – einer Art Zugtrompete, bedienen. Die erste namentliche Erwähnung der Türmer gehört dem Jahre 1489 an, wo sich nach dem vorhandenen Dienstbriefe Hans Daspach von Brechen zum Wächterdienst auf dem Niklasturm für fl. 26 jährlichen, oder 1 ST 16 ß 1 kl monatlichen Solds, verpflichtet. Dabei wird ihm die schon erwähnte Instruktion erteilt. Der Dienstbrief des Daspach wird 1493 für weitere vier Jahre erneuert, 1497 wird der wahrscheinlich altgewordene unter Belassung «eines Gehaltes auf den Mainzerturm versetzt. Ein zweiter Brief stammt aus dem Jahre 1501 und wurde für Hans Meylant den Jüngern ausgefertigt, der zum Unterschied von seinem Vater „dem alten Meylant“, der Wächter auf der Affenpforte war, gewöhnlich als „Jung Henne“ in den Büchern vorkommt. Man nimmt ihn zum thornhüter und diener uff dem Bockenheimer thorn oder uff einem andern der dorchgehenden thornen an. Die Sitte, die Türmer zuerst auf kleinere Stellen zu setzen und nach und nach aufsteigen zu lassen, ist gang und gäbe, ebenso wie die, ihnen im Alter leichtere Posten zu verschaffen. Immer aber steht die Besoldung des Pfarr- und Niklastürmers mit f1. 3 obenan, auf den übrigen Türmen bleibt der Sold nur fl. 1, 16 ß monatlich. Alle erhalten jedoch Wächterpelze, Wächterstiefel, Holz, mehrere Bütten Kohlen und vier Laibe Brot wöchentlich, die, wie es bei Clas Daspach 1508 geschah, um zwei weitere vermehrt werden, „daß er seine kinder besser uffbringe“. Jung Henne wird 1520 auf den Pfarrturm versetzt, und behält die Stelle bis 1563. Neben ihm erscheint Clas, Trompter von Nürnberg,
zeitweilig mit gleicher Besoldung. Besondere Belohnungen wurden ihnen bei dem Besuch des kaiserlichen Generals Büren auf dem Turm 1547 und bei der ersten Kaiserkrönung 1562 ausgesetzt. Dem Clas Daspach folgen auf dem Niklastorn eine bunte Reihe von Wächtern: Hans von Mencz, Clas Schneusing, Wendel Götze, Jörg Heil und Thomas Weigand, die alle das Instrumentenspiel ausgeübt haben müssen. Denn eine wesentliche Vermehrung der Instrumente fand noch im fünfzehnten Jahrhundert statt. Es heißt im Rechenbuche von 1490/91 fol. 86: 16 gülden 4 ß 6 (?) für 6 trompten, die man zu Nurenbergk zu machen bestalt hait, nemlich dry velttrompten yede trompte für 2 fl. und zu jeder ein claret montstücke, für jedes 1 ort, item 3 mitleart (mittlere?) trompten, yede für 2 1 /« fl. unnd zu yeder eyn quint montstücke zu 5 albus und weiteres für trans- port. Es sind damit jene langen ungewundenen Instrumente ohne Tonlöcher gemeint, deren Tonerzeugung nur durch Anblasen mittelst verschiedener, sehr breiter Mundstücke hervorgebracht wurde, was große Ausdauer und Übung verlangte. Jetzt pflegte man auch schon Instrumente einer Klangfarbe zu Chören zu vereinigen, sie kamen daher, wie es hier gesagt ist, in mehreren Tonlagen vor; auch bei den Posaunen war dies der Fall, es gab für den Baß sogenannte Quart- und Quintposaunen, weiter Alt- und Tenorposaunen und die schon erwähnte Diskantposaune, für die auch der Zinken eingesetzt werden konnte. Posaunen wie Trompeten kamen nach Frankfurt wohl aus der Fabrik des damals so berühmten Instrumentenmachers Hans Neuschell (gest. 1535) in Nürnberg, der sie an den Hof des Kaisers und des Papstes lieferte. Nach einer Notiz des Jahres 1519 hat man solche Chöre auch in Frankfurt begonnen, im B.B. steht unter dem 28. Juli: Jorge pyffern und den uff dem Rieder torn zusamen uff den pfar- torn uffnemen und daß sie am morgen und abents zusamen blasen. Aus diesen Anfängen entwickelte sich das – „ Choralblasen“, wie es in unveränderter Weise bis weit über die hier gesteckten zeitlichen Grenzen erhalten blieb. Denn bei der Gleichförmigkeit, mit der einmal gegebene Verordnungen besonders für die niederen Beamten der Stadt festgehalten wurden, dürfte die einzig vorhandene gedruckte Instruktion „für den Pfarr-, Nikolas- und Katharinenthürmer“ aus dem Anfang des achtzehnten Jahrhunderts auch die früheren Gebräuche widerspiegeln, wenn es heißt: daß sie Abends nach dem Ausläuten, sowie Mittags um 12 Uhr mit ihren Angehörigen, der Gewohnheit nach einige Choralverse vom Thurm abblasen. Auch in einem Ratsverbot von 1522 werden „pfeiffer und drummeter“, unter denen hier die Turmbläser zu verstehen sind, zusammen genannt. Es heißt im B.B. vom 7. Februar: „Den pfiffern und drumettern verboten uff der gasse sich zu schlagen vnd wen sie zu hochcyden zum Kirchgang gehn sich züchtiglich zu halten.“
Ein Zusammenwirken und eine Konkurrenz muß zwischen den Turmbläsern und den älteren städtischen Angestellten den Pfeifern bestanden haben auf die jene Notiz von 1482 hindeutet, nach der während des Durchgangs der Maria Magdalena-Prozession sich die Pfeifer auf dem Galgenturme derartig stritten und schlugen, daß der Rat «einen Beteiligten, den Niklastürmer, zur Strafe blenden ließ.“

(aus: Valentin, Caroline Pichler : Geschichte der Musik in Frankfurt am Main vom anfange des XIV. bis zum anfange des XVIII. Jahrhunderts, 1906)